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Schiller an Heribert von Dalberg, 19. Januar 1785

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Von Hauß d. 19. Jenner [Mittwoch] 85.

Es ist das erstemal, daß ich über die theatralische Vorstellung meines Stüks eigentlich meine Meinung sage, und auch jezt würde ich es aus tausend Ursachen nicht thun, wenn meine wahre Hochachtung für E. E. mir es nicht zur Pflicht machte, eh ich einen Schritt öffentlich thue, wenigstens mich offenherzig gegen Sie zu erklären.

Ich weiss nicht, welchem politischen Raffinement ich es eigentlich zuschreiben soll, daß unsere hiesigen Herrn Schauspieler – doch meyn’ ich nicht alle – die Konvenienz bei sich getroffen haben, schlechten Dialog durch gutes Spiel zu erheben, und guten durch schlechtes zu verderben. Es ist das kleinste Merkmal der Achtung, das der Schauspieler dem Dichter geben kann, wenn er seinen Text emoriert. Auch diese kleine Zumuthung ist mir nicht erfüllte worden. Es kann mir Stunden kosten, biß ich einem Perioden die bestmöglichste Rundung gebe, und wenn das geschehen ist, so bin ich dem Verdrusse ausgesezt, daß der Schauspieler meinen mühsam vollendeten Dialog nicht einmal in gutes Deutsch verwandelt. Seit wie lang ist es Mode, daß Schauspieler den Dichter schulmeistern?

Gestern hab ich das mehr als sonsten gefühlt. Kabale und Liebe war durch das nachlässige Einstudieren der mehresten ganz in Lumpen zerrissen. Ich habe statt meines Texts nicht selten Unsinn anhören müssen. Wenn unsere Herren Schauspieler einmal die Sprache in der Gewalt haben werden, dann ist es allenfalls auch Zeit, daß sie ihrer Bequemlichkeit mit Extemporieren zu Hülfe kommen. Es thut mir leid, daß ich diese Anmerkung machen muß, noch mehr aber verdrüßt es mich, daß ich diese unangenehme Erscheinung nur auf Rechnung ihres guten Willens und nicht ihrer Kunst schreiben kann, daß eben diese Schauspieler, die in den mittelmäßigsten Stüken vortreflich – ja groß gewesen sind, in den meinigen gewönlich unter sich selbst sinken. Wie erklär ich das?

Die Frauenzimmerrollen und H. Bek ausgenommen, dem ich es gerne vergebe, daß ihm die Rolle etwas fremder geworden ist, und der die Lüken seines Spiels durch einige meisterhafte Pinselstriche wieder gut machte, sind die mehresten andern Rollen unerhört vernachlässigt worden. Mir selbst kann zwar an diesem Umstand wenig liegen, denn ich glaube behaupten zu dürfen, daß biß jezt das Theater mehr durch meine Stüke gewonnen hat, als meine Stüke durch das Theater. Niemals werde ich mich in den Fall sezen, den Werth meiner Arbeit von diesem abhängig zu machen. Aber weil ich doch einmal von der hiesigen Bühne öffentlich sprechen soll, so konnte mir die Sache nicht gleichgültig bleiben.

Es steht bei EE., welchen Gebrauch Sie von meiner gegenwärtigen Erklärung machen wollen. Welchen Sie aber auch machen mögen, so bin ich entschlossen, in der Rheinischen Thalia weitläuftiger über diesen Punkt mich herauszulassen. Ich glaube und hoffe, daß ein Dichter, der 3 Stüke auf die Schaubühne brachte, worunter die Räuber sind, einiges Recht hat, Mangel an Achtung zu rügen.

R. Schiller