Jena d. 22 Xbr. [Dienstag] 89.
Meinen innigsten unaussprechlichsten Dank, verehrungswürdigste theuerste Mutter, für die ganze Glückseligkeit meines Lebens, die Sie in Lottchen mir geben. Wie kann ich mit Worten dafür danken? Meine Seele ist tief bewegt und zu sehr, um Ihnen mit aller Fassung jezt zu schreiben. Aber ich kann in disem Augenblick der Freude nicht schweigen, und ich mußte die Fülle meines Herzens gegen Sie ausströmen! O wie erhöhen Sie noch das Geschenk, das Sie mir geben, durch die Art, womit Sie es thun! Dieses grossmüthige Vertrauen, womit Sie mir Lottchens Glück übergeben – wie vermehrt es meine grenzenlose Verpflichtung gegen Sie! Glauben Sie, dass ich es fühle, was Sie mir anvertrauen, und, was es Sie kosten mußte, alle Ihre Aussichten für Lottchens Glückseligkeit auf meine Liebe allein einzuschränken. Aber ich fühle es nicht weniger lebhaft, daß Sie nie, nie Ursache finden werden, dieses Vertrauen zu bereuen.
Ein glänzendes äußres Glück kann ich ihr weder für jezt noch fürs künftige anbieten, ob ich gleich einige Gründe habe zu hoffen, daß ich in 4, 5 Jahren in den Stand gesetzt seyn werde, ihr ein angenehmes Leben zu verschaffen. Sie wissen, worauf alle meine Aussichten beruhen, bloß auf meinem eigenen Fließ. Ich habe keine Hilfsmittel, die Sie nicht längst schon kennen, aber mein Fleiß ist auch hinreichend, uns ein sorgenfreyes Daseyn von außen zu verschaffen.
Mit achthundert Rthlr können wir in Jena leidlich gut ausreichen; wir könnten es mit etwas weniger, wenn man sich in den ersten Jahren gleich zu helfen wüßte. Dreyhundert Rthlr sind mir eine sichre Einnahme von Vorlesungen, die mit jedem Jahre steigen wird, so wie ich mehr Stunden darauf verwenden kann. 150 biß 200 Rthlr kann mir der Herzog, da ich ein Jahr umsonst gedient habe nicht versagen. Da er dieses Geld aus seiner Schatulle geben muß, so wird er freilich etwas hart daran kommen, aber meinem und Lottchens Glück wird er dieses kleine Opfer gewiß bringen. Neben diesen 400 biß 500 rthl. bleibt mir die ganze Einnahme von Schriften, welche bisher meine einzige Ressource gewesen ist, und welche sich mit jedem Jahre verbeßert, da die Arbeiten mir leichter werden, und man sie mir auch immer beßer bezahlt. Ehe ich nach Jena kam hatte ich bey sehr wenigem Fleiß doch alle 2 Jahre zwischen 8 und 900 Rthlr. mir erworben. Eben dieses kann ich auch noch jetzt, und ohne mich anzustrengen; dabey habe ich keinen einzigen Glücksfall gerechnet, durch den ich es noch einmal so hoch bringen könnte. Ein solcher Glücksfall wäre es, wenn meine Unternehmung mit den Memoires einschlüge, welche mir eine fortlaufenden jährlichen Gehalt von 400 Thlr. sicherte, fast ohne alle eigene Arbeit. Aber ich bringe jetzt nichts in Anschlag, worüber das Glück erst entscheiden muß. Sie sehen aus dem bisherigen, daß mir mein Verhältniß mit der hiesigen Academie (im Fall der Herzog nur etwas einiges für mich thut) 400 Thlr. – und meine Schriften eben soviel eintragen; und mit 800 Thlr. können wir leben.
Ich läugne nicht, daß mir das Jahr 1790 merklich schwerer werden wird, als alle folgenden, weil ich in diesem Jahre alles das erst neu ausarbeiten muß, was nachher für immer gethan ist. Folgte ich bloß der Klugheit, so würde ich in diesem Jahre noch an keine Vereinigung mit Lottchen denken. Aber wie kann ich dieses ganze Jahr von meiner Glückseligkeit verlieren? Ich darf und will es Ihnen nicht beschreiben, meine theuerste Mutter, wie schmerzlich mir schon das Vergangene durch meine Trennung von allem, was ich liebe, geworden ist. Selbst zu meinem Fleiße ist es eine wesentliche Bedingung, daß mein Herz genießt, und in meiner Vereinigung mit Lottchen werden mir alle meine Beschäftigungen leichter werden. Dieses fühlen Sie. Ich brauche nichts hinzuzusetzen.
Was ich Ihnen hier vorgelegt habe, gilt nur von den Ersten Jahren. Ich bin nicht ohne Aussichten, und ein Ruf auf eine andere Academie wird mein Gehalt in Jena verbessern. Wenn ich mich selbst erst in dem neuen Fache, das ich mir gewählt, mehr vollendet habe, so kann es mir ohnehin nicht leicht fehlen. Ich mag Ihnen nur Lottchen nicht zu weit wegführen, ich bin selbst zu sehr an Ihr ganzes Haus gebunden, sonst würde ich in Jena mein Glück nicht aufsuchen. Ich lege Ihnen diesen Brief von dem Coadjutor bey, der alles für mich thun wird, sobald er kann, und dieß letzte kann jeden Tag geschehen.
Morgen schreibe ich an den Herzog v. Weimar und werde ihnen höchstens in 8 Tagen decisiv schreiben können, ob und was er für mich thun wird. Vertröstet er mich auf das Jahr 1791, so lege ich Ihnen einen neuen Vorschlag, bloß für das Jahr 1790, vor, der ihnen vielleicht nicht misfallen wird, und den der Herzog auch gewiss gern genehmigt.
Wie viel, theuerste verehrungswürdigste, hätte Ihnen mein dankbares Herz noch zu sagen, aber es werden schöne Stunden kommen, wo es sich gegen Sie ganz entfalten wird. Mit innigster Dankbarkeit, Verehrung und Liebe ewig der Ihrige
Schiller.