HomeBriefeAn seine ElternSchiller an J. und E. Schiller, 21. November 1794

Schiller an J. und E. Schiller, 21. November 1794

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Jena den 21. Nov. [Freitag] 94.

Schon seit 4 Wochen, liebste Eltern, haben wir jeden Posttag auf Nachrichten von Ihnen gewartet, da wir auf zwey Briefe, die seitdem an Sie abgegangen sind, noch keine Antwort erhielten. Hoffentlich bedeutet dieses Stillschweigen nicht, daß Sie krank sind, denn sonst würde doch eine von den Schwestern geschrieben haben.

In meinem letzten Briefe schrieb ich Ihnen, daß der Buchhändler Michaelis Ihr Buch angenommen. 24 Carolin’s sind accordiert. Es wird 20 biß 21 Bogen, klein Octav, betragen, und der erste davon ist schon gedruckt.

Bey uns ist alles leidlich wohl auf. Zwar ist es mit meiner Gesundheit im Ganzen noch eins, aber die Beschwerungen sind doch nicht so stark, daß sie mich an meinen Geschäften hindern, deren jetzt eine sehr große Menge ist. Ich bin auch gottlob munter an Geist und voll Muth, und liebe die Arbeit trotz dem Gesündesten.

Der kleine Goldsohn wird jetzt charmant. Er geht seit 5 Wochen und jagt schon im Zimmer herum, als ob er es schon ein Jahr lang getrieben hätte. Auch fängt er an viel zu plappern und versteht schon recht vieles. Er zeigt ein sehr lenksames weiches Herz, denn wenn er etwas gethan hat, was ihm verboten worden, so darf ich ihn nur ernsthaft ansehen, und er kommt gelaufen und küßt mich, mich wieder gut zu machen. Ich zeige ihm oft Ihre beyden Bilder, und er weiß sie zu finden, und zeigt darauf, wenn ich ihn nach Großpapa und Großmama frage. Sobald ich aufstehe erhalte ich einen Besuch von ihm, Mittags ißt er mit uns am Tische, und des Abends haben wir auch unsre Freude mit ihm. Ich kann nicht beschreiben, wie viel mir das Kind ist.

Sie werden nun wohl wissen, daß Wohlzogen mein Schwager geworden ist. Ich wollte Ihnen nicht früher von dieser Sache schreiben, theils weil ich immer noch gehofft hatte, sie rückgängig zu machen, theils weil sie mir in so vielem Betracht fatal ist. Nun ist es geschehen und ich schlage mir sie aus dem Sinn, so gut ich kann. Diese zwey Leute schicken sich gar nicht zusammen, und können einander nicht glücklich machen. Aber wem nicht zu rathen ist, dem ist nicht zu helfen. Ich bekümmere mich nichts mehr darum. Diese Geschichte hat meine Schwägerin und mich ziemlich gegen einander erkältet, und Sie werden sich daher nicht wundern, wenn sie Ihnen wenig Freundschaft bezeugt.

Geben Sie uns doch bald Nachricht von Ihrem Befinden und von Ihrer Lage, bei den jetzigen Zeit Umständen. Meine Frau sagt Ihnen die herzlichsten Grüße, wie auch meinen Schwestern, die auch ich brüderlich grüße. Der Himmel erhalte Ihre Gesundheit liebste Eltern, und Ihre Liebe Ihrem

gehorsamen Sohn

Fr. Schiller.