Weimar 5 Jänner [Donnerstag] 1804.
Der Tod des guten Herzogs v. M. hat uns recht betrübt. Ich hatte ihn in den lezten Zeiten so lieb wahrhaft lieb gewonnen und er verdiente auch als ein guter Mensch Achtung und Liebe. Gebe der Himmel, daß man im Meiningischen Lande nicht Ursache habe, diesen Verlust noch lange zu betrauern.
Hier ist kürzlich auch Herder gestorben, der ein wahrer Verlust nicht nur für uns, sondern für die ganze litterarische Welt ist. Möge nur der Himmel uns und allen die uns werth sind Leben und Gesundheit fristen. Es giebt noch allerley in der Welt zu thun, und ich möchte es wenigstens erleben, meine Kinder soweit gebracht zu sehen, daß sie sich gut durch die Welt helfen können.
Mit der Gesundheit ist es bis jezt leidlich gegangen, aber der Winter macht mich doch immer besorgt, und ich kann mich hier nicht so gut zu Hause halten wie in Jena.
Fr. v. Stael ist eben hier und belebt durch ihren geistreichen und intereßanten Umgang die ganze Societät. Sie ist in der That ein Phänomen in ihrem Geschlecht, an Geist und Beredsamkeit mögen ihr wenige Männer gleich kommen, und bei allem dem ist keine Spur von Pedanterie oder Dünkel. Sie hat alle Feinheiten, welche der Umgang der großen Welt gibt und dabey einen seltenen Ernst und Tiefe des Geistes, wie man sonst nur in der Einsamkeit sich erwirbt.
Herzlich umarmen und grüßen wie euch alle und wünschen Euch einen erfreulichen Eintritt in das neue Jahr.
Euer treuer Bruder
Schiller.