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Schiller an Wilhelm v. Wolzogen, 4. September 1803

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Weimar, 4. September [Sonntag] 1803.

Mit den guten Nachrichten, die Du uns übersendet, hast Du uns alle in große Freude versetzt. Ich überlasse es den Andern, es Dir zu beschreiben, und will Dich blos von uns und unsern Zuständen unterhalten.

Indem das neue Schloß in Weimar bezogen worden ist und hier ein neues Leben beginnt, droht die alte Universität in Jena über den Haufen zu fallen. Vielleicht hast Du in Zeitungen davon gehört. Ein Lehrer nach dem andern wird uns nach Halle entführt; so ist auch Schütz mit der ganzen Literatur-Zeitung berufen, und hat sich wirklich dort engagirt. Von der andern Seite beruft uns der Kurfurst von Bayern mehrere Professoren nach Würzburg. Unter diesen Umständen hat der Herzog sich aufs Neue für Jena interessirt und will sichs etwas kosten lassen, um wenigstens die besten, wie den Prof. Paulus Hufeland, festzuhalten. Auch hat man sich kühnlich entschlossen, die allgemeine Literatur-Zeitung in Jena fortzusetzen, wenn auch gleich eine andre in Halle herauskommt; und da man nicht nur die besten Mitarbeiter von der alten behält, sondern auch neue tüchtige Männer dazutreten, so könnte sehr leicht der Fall eintreten, daß sie in Halle die Rivalität mit uns nicht aushalten. Denn so ein kleines Ländchen wir auch sind, so sind doch in literarischen Unternehmungen diejenigen nicht schwach, die die Geister commandiren können, und wir können es hierin kecklich jeder großen Provinz in Deutschland bieten. Es ist eine Ehre für Jena und Weimar, daß andre Universitäten uns plündern müssen, um etwas zu werden, und daß etwas Gutes bei uns zu holen ist.

Der Kurfürst von Bayern, hör ich, soll auch die fränkische Ritterschaft sehr incommodiren, und ihre Besitzungen mit Gewalt seiner Lehensherrlichkeit unterwerfen wollen. Auch Dein Bauerbach wird wohl dabei ins Gedränge kommen.

Der König von Schweden ist diese Woche hier durchgereist, ich habe die Ehre gehabt, ihn zu sprechen, und er hat mir als ein Zeichen seiner Zufriedenheit wegen meiner Schrift über den dreißigjährigen Krieg, die der schwedischen Nation so rühmlich wäre, einen brillantnen Ring zum Geschenk gemacht. Du kannst Dir leicht denken, wie sehr mich dieses überrascht und erfreut hat. Wir Poeten sind selten so glücklich, daß die Könige uns lesen, und noch seltner geschiehts, daß sich ihre Diamanten zu uns verirren. Ihr Herren Staats und Geschäftsleute habt eine große Affinität zu diesen Kostbarkeiten; aber unser Reich ist nicht von dieser Welt.

Es hat mich gar sehr gefreut, von Dir zu hören, daß die regierende Kaiserin eine Neugierde bezeugt hat, die Braut von Messina zu lesen. Wenn Du es für keine Unbescheidenheit hältst, so wollte ich Dich bitten, ihr von meinetwegen ein Exemplar des Don Carlos nach der neuen schönen Ausgabe zu präsentiren, das ich dem Courier mitgeben werde. Auch einige Exemplare der Braut von Messina werde ich noch beilegen, wenn der Buchbinder damit noch fertig werden kann.

Gegenwärtig arbeite ich an Wilhelm Tell, woraus ich eine große Tragödie zu machen gedenke; sie wird fertig seyn, wenn Du zurück kommst, und der Gedanke dient mir zu einem großen Sporn dabei, daß ich sie in Gegenwart der Großfürstin und unsres theuren Prinzen zum ersten Mal produciren werde. Sage dem Letztern, wie innig wir von seinem Glück gerührt sind, und wie herzlich wir uns darauf freuen, ihn bald hier zu besitzen.

Goethe trägt mir auf Dich aufs freundlichste zu grüßen und ihn Deinem Andenken zu empfehlen.

Den Herzog Eugen von Würtemberg habe ich noch einige Tage zu Lauchstädt recht genossen; er war charmant und hat jedermanns Liebe erworben; auch ist er wirklich ein sehr liebenswürdiger Fürst und diese wenigen Tage, die ich mit ihm verlebt, werden mir unvergeßlich seyn. Den guten Bruder August habe ich in Lauchstädt auch näher kennen lernen und ihn ordentlich recht aufthauen sehen. Er hat sich Deiner sehr oft erinnert, und wenn er sich Champagner einschenkte, meinte er, es wäre doch schade, daß der Bruder Wilhelm nicht auch da wäre.

Und nun, lieber Alter, lebe wohl und glücklich, und bleibe ja recht gesund bei den vielen Sorgen und Anstrengungen die Deiner warten. Was wir über die Frau und Adolph wissen, und wie es mit unsern Kindern steht, wird Lolo Dir ausführlicher schreiben. Sage dem General Klinger, wie sehr ich ihn schätze. Er gehört zu denen, welche vor 25 Jahren zuerst und mit Kraft auf meinen Geist gewirkt haben. Diese Eindrücke der Jugend sind unauslöschlich.

Ich drücke Dich an mein Herz und bin mit inniger Liebe Dein treuer

S.