HomeBriefesonstige BriefeSchiller an C. Curtius und K. Rechlin, 18. Juni 1790

Schiller an C. Curtius und K. Rechlin, 18. Juni 1790

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von Hauß den 18. Jun. [Freitag] 90.

Den Beiden mir sehr schätzenswürdigen Herrn Verfassern des hier zurückfolgenden Trauerspiels bin ich für Ihr gütiges Vertrauen sehr verbunden. Das Geheimniß, welches Sie über Sich selbst beobachten, sehe ich als eine Auffoderung an, mein Urtheil über das Stück mit desto mehr Freimütigkeit zu sagen, da ich mir sonst keine Ursache angeben kann, warum so geschickte Hände sich verbergen sollten.

Mit vielem Vergnügen habe ich das Produkt Ihres Geistes gelesen, und ich entdecke darin schon ungemein viel Fertigkeit in Ausarbeitungen dieser Art, Leichtigkeit in der Diktion und Kunst in der Anlage; Vorzüge, welche Sie ohne Zweifel durch längere Uebung, durch ein fortgesetztes Studium guter Muster, der Griechen und Shakespears, immer höher ausbilden werden. Der Stoff, den Sie gewählt haben, war mit Schwierigkeiten verknüpft, und es kann auf Rechnung desselben geschrieben werden, daß sich das Interesse nicht immer gleich bleibt, daß nicht alle Handlungen in dem Stücke gehörig motivirt, nicht alle Karaktere genug entwickelt sind. Von dem Betragen des Königs gegen Demetrius, von dem gehässigen Carakter des Didas ist nicht genug Rechenschaft gegeben, und mit schlimmen Carakteren söhnen wir uns nur dadurch aus, daß sie auf einen wichtigen Zweck arbeiten, oder aus einer hinreichend starken Leidenschaft handeln. In dem Carakter des Demetrius nähert sich die Güte zuweilen der Schlappheit und der Schwäche. Sehr interessant ist die Rolle des Appelles. Perseus verschwindet am Ende zu sehr. Philipp dringt es bey dem Leser nicht soweit Mitleid zu erwecken.

Ich finde in dem Stück zarte und edle Gefühle, die ihren schönen Ursprung im Herzen ihrer Dichter verrathen, verschiedene einfach schöne und wahre Züge, hervorspringende Gedanken und in den Versen, mit Ausnahme mehrerer zu sehr abgebrochenen Jamben, viele Harmonie.

Daß Sie Sich entschloßen haben, Ein Stück gemeinschaftlich auszuarbeiten, war ein gewagtes Unternehmen, aber Beaumont und Fletchers Beyspiel machte Ihnen wahrscheinlich Muth dazu und ich wünsche Ihnen Beiden Glück zu dem schönen Bande, das durch diese gemeinschaftlichen Ausarbeitungen zwischen Ihnen geflochten wird.

Nach dem Bisherigen werde ich Ihnen wohl nicht erst sagen dürfen, wie sehr ich wünsche zwey Männer von Person zu kennen, die ich unbekannt schätze und liebe.

Ihr ergebener Schiller.