HomeBriefesonstige BriefeSchiller an Christoph Hufeland, 16. Juli 1804

Schiller an Christoph Hufeland, 16. Juli 1804

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Weimar, 16. Jul. [Montag] 1804.

Ihr freundliches Andenken, mein theurer, verehrter Freund, hat meine Frau und mich höchlich erfreut. Daß Sie mir darin zuvorgekommen sind, und daß ich selbst Ihnen nicht früher für die liebevolle Aufnahme gedankt, die wir bei Ihnen erfuhren, ist nicht die Schuld meiner Nachlässigkeit. Ich glaubte Ihnen zugleich etwas bestimmtes über meine künftigen Verhältniße in Berlin schreiben zu können, indem ich nun täglich eine Entscheidung darüber erwarte. Der treffliche Mann, der auch Ihr Freund ist, hatte mich bei meinem neulichen Aufenthalt in Potsdam aufgefordert die Bedingungen zu nennen, unter denen ich in Berlin glaubte existiren zu können. Längst schon lebte es als Wunsch in meinem Herzen, einige Zeit im Jahre dort zubringen und den Einfluß einer so großen Stadt besonders auf meine Dramatische Productivität erfahren zu können. Aber freilich müßte mir keine fixirte Niederlassung in Berlin zur Bedingung gemacht werden. Denn außerdem, daß ich mich aus mehr als einem Grunde nicht ganz von Weimar trennen kann, und daß ein Aufenthalt in Berlin mit einer ganzen Familie äußerst kostspielig für mich seyn würde so kenne ich mich auch selbst zu gut, um nicht überzeugt zu seyn, daß die Zerstreuungen einer großen Stadt, sowie überhaupt die größere Bewegung um mich herum das glimmende Fünkchen meiner Thätigkeit ganz ersticken würde. Um etwas poetisches zu leisten, muß ich 6-8 Monate im Jahre einsam leben, und dazu ist ein Ort wie Weimar, dem es nicht ganz an einigem belebenden Umgang fehlt, eben recht. Wird mir aber von Berlin aus zugestanden, meinen Aufenthalt zwischen dort und hier zu theilen, so sind meine Wünsche erfüllt und ich werde mich sowohl im poetischen als im oekonomischen besser befinden.

So stehen die Sachen, theurer Freund, ich habe diesen meinen Wunsch an die Behörde gelangen lassen und sehe nun mit Erwartung dem Erfolge entgegen.

Sollte es dahin kommen, daß ich öfter und längere Zeit in B. verleben könnte, so laßen Sie, theurer Freund, Ihr Herz und Ihre Arme mir geöffnet seyn und Ihre Hausgötter mich freundlich empfangen. In einer größeren Welt bedarf man des Freundes am meisten und ich habe immer in so einfachen Verhältnissen gelebt, daß ich weniger als ein anderer des wechselseitigen Vertrauens und Wohlwollens entrathen kann.

Meine Frau hat sich in Ihrem Calcul geirrt und wird nun wahrscheinlich erst in einigen Wochen ihrer Bürde entledigt werden. Sie dankt Ihnen und Ihrer lieben Frau Gemahlin auf’s herzlichste für Ihren Antheil und wird sich der gütigen Aufnahme bei Ihnen stets mit dankbarem Herzen erinnern.

Die angenehme Nachricht von dem Success des Tell in B. war mir sehr willkommen; sie war das erste Wort, das ich darüber vernahm und muß mir in jedem Betracht erfreulich seyn.

Von Herzen umarmt Sie

Ihr ganz ergebener

Schiller.