HomeBriefesonstige BriefeSchiller an Georg Nöhden, 5. Juni 1799

Schiller an Georg Nöhden, 5. Juni 1799

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Jena 5. Juni [Mittwoch] 1799.

Ich muß mich schämen, daß ich Ihr gütiges Schreiben vom vorigen September nebst dem angenehmen Einschluß so spät beantworte, aber ich ließ es anstehen, weil ich noch nichts Bestimmtes über den Wallenstein sagen konnte. Empfangen Sie meinen verbindlichsten Dank für Ihre Bemühungen um den Carlos. So weit ich das Englische verstehe und den Werth einer Uebersetzung beurteilen kann, ist er sehr gut übergetragen; aber wie die Poeten sind, auch den kleinsten Ausdruck mögen sie sich nicht gern nehmen lassen, und so kann ich nicht leugnen, daß es mir um verschiedene Stellen leid thut, wo die Kraft und Eigenthümlichkeit dem Genius der fremden Sprache hat aufgeopfert werden müssen. Dann kann ich auch nicht leugnen, daß ich das Sylbenmaß in dieser Uebersetzung ungern vermißte.

Nun aber zum Wallenstein. Dieses dramatische Werk ist nun fertig, aber in einer Suite von drei Stücken ist es ausgeführt, einem Vorspiel von Einem Akt, „Wallensteins Lager“ betitelt, einem Schauspiel in fünf Akten, welches von den zwei Hauptpersonen nach dem Wallenstein, die Piccolomini, den Namen führt, und endlich dem eigentlichen Trauerspiele Wallenstein, gleichfalls in fünf Akten. Das Vorspiel ist in kurzen gereimten Versen geschrieben, nach dem Geist des Jahrhunderts, in welchem die Geschichte spielt. Die zwei andern Stücke sind in Jamben. – Es sind durch meinen Buchhändler Cotta in Tübingen aus England Anträge an mich geschehen, daß ich diese Stücke in Manuskript dahin senden möchte und man will sechzig Pfund dafür bezahlen. Auch hat vor etlichen Wochen ein Herr Symonds, in Paternoster Row wohnhaft, der, wie ihnen bekannt seyn wird, auch eine Uebersetzung des Carlos herausgab, an mich geschrieben und sich meine künftigen Stücke ausgebeten. Da ich nun in meinen Verhältnissen gegen merkantilische Vortheile nicht ganz gleichgültig seyn darf, so werden Sie mir nicht übel deuten, wenn ich zu wissen wünsche, ob mir der Verleger Ihrer Uebersetzung ähnliche Vortheile bewilligen kann. Freilich wäre mirs angenehm, wenn die Uebersetzung meiner künftigen Stücke sowohl als des Wallenstein in Ihre und Ihres Freundes geschickte Hand fiele und wenn ich auf diese Art den innern wesentlichen Vortheil einer guten Uebersetzung mit jenem äußern merkantilischen Vortheil vereinigen könnte.

Auch habe ich erfahren, daß Hr. Sheridan, unter dessen Aufsicht das Theater zu Drurylane steht, deutsche Originalstücke dafür annimmt und sie übersetzen läßt, um sie spielen zu lassen. Wenn es nicht zu unbescheiden von mir ist, Sie mit einem Auftrage zu bemühen, so wünschte ich wohl zu wissen, ob dem wirklich so ist und ob ich ins künftige solche Stücke von mir, die auf den theatralischen Effekt berechnet sind, an ihn senden kann. Auch die Wallensteinischen Schauspiele bin ich gesonnen in ein einziges Theaterstück zusammenzuziehen, weil die Trennung derselben tragischen Handlung in zwei verschiedene Repräsentationen auf dem Theater etwas ungewöhnliches hat und die erste Hälfte immer etwas Unbefriedigendes behält. In Ein Stück vereinigt bilden beide aber ein sehr wirkungsreiches Theaterstück, wie mich die Repräsentation in Weimar belehrt hat. Auch dieses Stück möchte Hrn. Sheridan alsdann vielleicht brauchbar seyn.