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Schiller an L. v. Seckendorff, 1801

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Ihr Brief, mein werthester Freund, der mir die Fortdauer Ihres freundschaftlichen Andenkens versichert, hat mir eine große Freude gemacht; möchte es Ihnen in Ihren neuen Verhältnissen recht wohl werden, ohne daß Sie der alten dabei vergessen, das ist mein und aller Ihrer hiesigen Freunde herzlicher Wunsch. Wir erinnern uns Ihrer oft und jeder vermißt Sie.

In wenigen Tagen werde ich meine Reise nach Dresden antreten und von da aus wahrscheinlich nach Berlin gehen. Die Unpäßlichkeit meiner Frau hat die projektirte Reise nach dem Seebad verzögert und dadurch, weil es nun zum Baden zu spät ist ganz verhindert.

Goethe ist von seiner Pyrmonterreise noch nicht zurück, darum kann ich Ihnen in Ansehung des vorgeschlagenen Schauspielers noch keine Nachricht geben. Das gute Zeugniß, das Sie ihm geben, läßt mich wünschen, daß Goethe es mit ihm versuchen möchte, und ich werde das meinige dazu beitragen, ihn zu bestimmen. Schreiben Sie doch ein paar Worte über ihn an den Hofkammerath Kirms und lassen ihn wissen, mit welcher Gage dieser Schauspieler wohl zufrieden seyn möchte. Wenn er für den Anfang wenig verlangt und nachher gut einschlägt, so wird es nicht schwer werden, einen guten Contract zu machen. Ich glaube 6 Thaler für die Woche würden zum Anfang genug seyn.

Mein neues Stück ist noch gar nicht in Weimar gespielt worden. Verschiedene theatralische Zänkereien und andere verwickelte Verhältnisse haben mich in den letzten Monaten des hiesigen Theaterjahres von dem Schauspielwesen ganz abgezogen. In zwei Monaten erscheint das Stück bei Unger in Berlin gedruckt, wird aber vorher auf mehreren ausländischen Theatern wie z. Bspl. Hamburg, Berlin, Leipzig, Schwerin gespielt werden. Was Sie von dem Stück gehört haben, muß von einer Vorlesung herrühren, die ich bei der Herzogin Amalie davon gehalten habe.

Hr. Schmidt wird in diesen Tagen nach Wien abgehen, wo Göthe ihm ein Engagement verschafft hat. Leider ist sein erstes Debut hier in Weimar ganz und gar verunglückt und ich zweifle sehr, ob er wirklich jemals auf dem Theater reussieren wird. In Lauchstädt hat er unterdessen mehrmal gespielt und scheint zwar mit sich selbst zufriedener zu seyn, aber ich höre nicht, daß es ihm besser gelungen.

Schröder war dieser Tage hier und hat uns zu Tiefurt aus Nathan dem Weisen vorgelesen. Das Stück war gerade nicht gut gewählt, um den ganzen Umfang seines Talents zu zeigen, aber wir haben doch Gelegenheit gehabt, seinen einfachen und lebendigen Vortrag und die Herrschaft, die er über sein nicht sehr günstiges Organ erlangt hat, kennen zu lernen.

Leben Sie wohl, mein theurer Freund, und bewahren Sie mit Ihr wohlwollendes Andenken. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen aufs beste.

Ganz der Ihrige

Schiller.