HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 1. Januar 1792

Schiller an Gottfried Körner, 1. Januar 1792

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Jena d. 1. Jan. [Sonntag] 1792.

Mein herzlichster Wunsch zu diesem neuen Jahr für Dich und für mich ist der, daß dasjenige sterben möge, was nicht leben soll. So würde uns beiden am besten geholfen seyn. Deine Geständnisse über die Juristerey machten diesen Wunsch aufs neu in mir lebendig, wie schön, wenn wir beide, gleich unabhängig, unsere Neigung in Gemeinschaft befriedigen, und in einer frohen bürgerlichen und häußlichen Existenz vereinigt unseren Idealen leben könnten. Einen großen Schritt hat das Schicksal in Rücksicht meiner dazu gethan und vielleicht bringt dieses oder das nächste Jahr die noch übrigen nach. Ich beginne das neue Jahr mit den besten Hofnungen. Bin ich auch noch nicht gesund, so hat mein Kopf doch seine ganze Freiheit und an meiner Thätigkeit werde ich durch meine Krankheit wenig gehindert. Indeß werde ich jetzt noch einen entscheidenden Schritt zu meiner Wiederherstellung thun, da meine oeconomischen Umstände es zulassen, und die Rücksicht auf meine Gesundheit vorjetzt die dringendste ist. Wir haben ausgemacht, wenigstens für dieses Jahr eigne Pferde zu halten, daß ich alle Tage in der Regel zwey Stunden ausfahren kann. Da ich ohnehin in diesem Jahr drey Reisen, zu Dir, ins Karlsbad wie es wahrscheinlich ist, und auf den Herbst ins Reich zu meiner Familie vor mir habe, welche mich gegen dreißig Ldors bloß an Fuhrwerk kosten dürften, so habe ich den Vortheil jeden Tag auszufahren und sowohl nach Rudolstadt als Weimar nach Gefallen Excursionen zu machen fast umsonst.

Futter für 2 Pferde, Lohn des Kutschers und Reparatur kommen mir hier auf 200 Rthlr. zu stehen, welches etwa 50 Thl. über die Summe ausmacht, die mich das Fahren in diesem Jahr ohnehin kosten würde, und an diesen 50 Thl. wird mir meine Schwiegermutter für sich und meine Schwägerin den größten Theil erstatten, da sie sich meiner Pferde dann auch bedienen kann. Also ist nichts übrig als die Unkosten des Einkaufs, welche mir freilich Pferd, Geschirr und Wagen zusammen gerechnet auf 50 Ldors können zu stehen kommen. Indeß muß ich denken, dass ich für meine und auch meiner Lotte Gesundheit nichts zweckmäßigeres thun kann, und daß die erste Absicht des Prinzen bei seinem Anerbieten darauf gerichtet war, mir zu meiner Gesundheit zu verhelfen.1

An den Herzog von Weimar habe ich vor acht Tagen schon die Nachricht von dieser Schenkung geschrieben, aber vermuthlich kam ich damit zu spät, da, wie ich selbst las, sicher ein allzeit fertiger Freund sich gefunden hat, die ganze Nachricht in die Frankfurther Zeitung zu setzen. Ich wollte gern hundert Thaler verlieren, wenn das nicht geschehen wäre, da Schimmelmann in einem besondern Billet an Baggesen, das dieser mir schickte, gegen Nennung seines Nahmens auf das ernstlichste protestirt hat. Ich will Dir Baggesens und Schimmelmanns Briefe schicken; den Brief vom Prinzen hat dermalen noch der Herzog von Weimar. Hast Du vielleicht Hubern davon Nachricht gegeben, und die Zeitung hat es von diesem erfahren? Schreib mir mit nächster Post, ob es an dem ist, denn sonst wende ich alles an dieser Zeitungsnachricht auf die Spur zu kommen.

Ich treibe jetzt mit großem Eifer Kantische Philosophie und gäbe viel darum, wenn ich jeden Abend mit Dir darüber verplaudern könnte. Mein Entschluß ist unwiderruflich gefaßt, sie nicht eher zu verlaßen, biss ich sie ergründet habe, wenn mich dieses auch drei Jahre kosten könnte. Uebrigens habe ich mir schon sehr vieles daraus genommen u: in mein Eigenthum verwandelt. Nur möchte ich zu gleicher Zeit gern Locke, Hume und Leibnitz studiren. Weißt Du mir von Locke keine brauchbare Uebersetzung? Die von einem gewissen Tittel taugt gar nichts. Herrlich wäre es, wenn Du Dich an solch eine Arbeit machen wolltest. Ich halte sie für eben so interessant als verdienstlich und würde wenn ich Englisch genug verstände, sie selbst unternehmen.

An den 30jährigen Krieg gehe ich nächstens wieder. Je früher ich anfange, desto ruhiger kann ich diese Arbeit fortsetzen. Meine häußliche Existenz hat jetzt sehr viel Abwechselung und diese macht mich frisch zur Arbeit. Ich habe die Einrichtung getroffen, daß ich Mittags u. Abends mit 5 guten Freunden, meist jungen Magistern, zusammen speise, die bey meinen Hausjungfern mit mir in die Kost gehen. So habe ich, ohne mit der Besorgung beschwert zu seyn, täglich einen gesellschaftlichen Tisch, und da es zum Theil Kantianer sind, so versiegt die Materie zur Unterhaltung nie. Nach Tische wird zuweilen gespielt, ein Behelf, der mir seit meiner Krankheit fast nothwendig worden ist. Habe ich nun vollends Wagen und Pferde, so fehlt mir nichts zu einer angenehmen Existenz u. ich denke, daß eine tägliche 2 Stunden lange Erschütterung meinen Unterleib in 2 Monaten weiter bringen soll, als die Apotheke in 2 Jahren. Sobald ich Pferde und Wagen habe wird Dorchen abgehohlt; ich habe einmal Dein und hoffentlich auch ihr Wort. Grüße beide herzlich von mir und meiner Lotte, die sich Dir bestens empfiehlt.

Dein Sch.