HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 11. Juli 1785

Schiller an Gottfried Körner, 11. Juli 1785

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am 11. Julius [Montag] 85.

Du hast recht, lieber Körner, wenn Du mich wegen der Bedenklichkeiten tadelst, die ich hatte, Dir meine Verlegenheit zu gestehen. Ich fühle es mit Beschämung, daß ich unsere Freundschaft herabseze, wenn ich neben ihr Deine Gefälligkeit noch in Anschlag bringen kann. Mir hat das Schiksal nur die Anlage und den Willen gegeben, edel zu handeln, Dir gab es auch noch die Macht es zu können. Du bist also ja nur glüklicher gefahren als ich – und doch war ich Alltagsmensch genug, durch meine Zurükhaltung stillschweigend einzuräumen, daß Deine Ueberlegenheit im Glüke meinen Stolz empfindlicher schmerzt, als die Harmonie unserer Herzen ihm wohlthut. Ich hätte ja zu mir selbst sagen können: Dein Freund kann unmöglich einen größeren Werth in seine Glüksgüter sezen, als in sein Herz, und sein Herz gab er Dir ja schon. Ich hätte mir selbst sagen sollen, derjenige Mensch, der gegen Deine Fehler und Schwächen so duldend war, wird es noch mehr gegen Dein Schiksal seyn. Warum solte er Dir Blößen von dieser Art zum Verbrechen machen, da er Dir jene vergab?

Verzeih mirs, bester Freund. Frühe Vorurtheile der Erziehung, und die immer und ewig zurükkehrende Erfahrung haben mein besseres Wissen überstimmt. Meine Philosophie kann für die Schaamröthe nicht, die mein Gesicht unwillkürlich färbte.

Ueber Glüksgüter werden wir beide wohl von einerlei Meinung seyn. Süße Empfindung ist es dem edlen Manne, sie zum Wohl eines Freundes anzuwenden. Ihre Aufopferung ist das Werk einer schönen Seele, aber ich hoffe, daß es noch eine größere Tugend und eine süßere Wollust, als diese, gibt. Siehst Du mein theuerster, ich, dem diese Quelle schöner Thaten verstopft ist, ich muß so denken; zu meiner Beruhigung muß ich den Werth Deiner Großmuth heruntersezen, muß ich Vorzüge und Genüsse des Geistes und des Herzens auf Unkosten jener erheben, ich muß das thun, weil diese, aber nicht jene, in meiner Gewalt sind. Je höher meine Verbindlichkeit gegen Dich steigt, desto höher muß ich Dir meine Freundschaft anrechnen; und ich kenne Dich zu gut, als daß ich nicht voraus überzeugt seyn solte, Du würdest viel lieber den Werth dieser lezteren übertreiben, als mir die erstere schwer machen.

Für Dein schönes und edles Anerbieten habe ich nur einen einzigen Dank, dieser ist die Freimütigkeit und Freude, womit ich es annehme. Niemals habe ich die Antwort gebilligt, womit der große Roußeau den Brief des Grafen Orlov abfertigte, der aus freiwilligem Enthousiasmus dem flüchtigen Dichter eine Freistätte anbot. In eben dem Maaße, als ich mich gegen Roußeau kleiner fühle, will ich hier größer handeln, wie er. Deine Freundschaft und Güte bereitet mir ein Elisium. Durch Dich, theurer Körner, kann ich vielleicht noch werden, was ich je zu werden verzagte. Meine Glükseligkeit wird steigen mit der Vollkommenheit meiner Kräfte und bei Dir, und durch Dich getraue ich mir, diese zu bilden. Die Tränen, die ich hier an der Schwelle meiner neuen Laufbahn, Dir zum Danke, zur Verherrlichung vergieße, diese Tränen werden wiederkommen, wenn diese Laufbahn vollendet ist. Werde ich das, was ich jezt träume – wer ist glüklicher, als Du?

Eine Freundschaft, die so ein Ziel hat – kann niemals aufhören.

Zerreise diesen Brief nicht. Du wirst ihn vielleicht in zehen Jahren mit einer seltnen Empfindung lesen, und auch im Grabe wirst Du sanft darauf schlafen.

Leb tausendmal wol. Mein Herz ist zu weich. In einigen Tagen schreib ich Dir wieder. Lebe wol.

Schiller.