HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 20. Oktober 1788

Schiller an Gottfried Körner, 20. Oktober 1788

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Rudolstadt. 20. 8br [Montag] 88.

Jezt ist ja ein ordentlicher Ernst in Dich gefahren, da die Anstalten zu Deinem Fleisse schon in das Haus übergegangen sind. Das höre ich gerne und ich habe es längst gewünscht. Du scheinst jezt auf einem gewissen Scheideweg zu stehen, und die alte Alternative zwischen dem Publicumsmenschen und dem Staatsdiener wieder abzuhandeln. Ich finde aber daß Dir hierinn gar schwer zu rathen ist; unser einer wäre freilich schnell entschlossen, aber ein Ehemann muß allerlei in Betrachtung ziehen. Ich mags aber überlegen wie ich will, so finde ich ein ungeheures Mißverhältniß zwischen dem was Dir Dein Consistorial- und Commercienrath kostet, und dem was er Dir gibt oder verspricht. Alle Deine 200 Thaler gehen biß auf den lezten Heller gegen die Unkosten auf die Du in Dresden mehr hast, als an einem selbstgewählten Orte; die sündliche Zeitverschwendung mit Akten, die Dependenz, und die erbärmlichen Verhältnisse, in denen diese leztere Dich doch immer herumtreibt, hast Du also umsonst, oder für künftiges beßeres Etablissement, welches aber reichlich durch den Zwang von Dir bezahlt werden wird, in dem es Dich erhält. Denke doch diesem nach. Es scheint mir so palpabel zu seyn. Hast Du nur irgend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Airersche Erbschaft zu zählen, so ist ja von dieser Seite Deine und Deiner Fr. und Kinder Zukunft beßer gedeckt, als durch alle Collegialversorgungen. Bringst Du nun das unschätzbare Glück der Unabhängigkeit in Rechnung, welche Dir den ganz freien Gebrauch Deines Geistes verschafft, Deine ganze Zeit in Deine Gewalt gibt, und Dich aus allen dummen Verhältnissen herausreißt, so dächte ich müßte Dein Entschluß gefaßt seyn. Ein paar hundert Thaler erschreibst Du Dir spielend, wenn Du auch weiter nichts thust, als mit Bequemlichkeit übersetzest, oder über das, was Du liest, Bemerkungen niederschreibst, für Journale arbeitest und dgl. Dieß thust Du in Nebenstunden und die besten Augenblicke verwendest Du planmäßig auf eine Lieblingsschrift. Sapienti sat.

Von der Histoire de mon tems habe ich hier noch nichts gesehen. Die Vorrede dazu habe ich bei Gelegenheit einer Schrift gelesen, die ich für die A. L. Z. recensirt habe – Herzbergs Nachricht über Fridr. II. lezte Lebensjahre, wo der t. Uebersetzer 2 verschiedene Ausarbeitungen der nehmlichen Vorrede von der Hand des Königs (eine in den fünfziger die andere in den achtziger Jahrgängen) angehängt hat. Mir war diese Gegeneinanderstellung interessant, um die Fortschritte seines eigenen Geistes u. schriftstellerischen Geschmaks und Carakters aus der Art seiner Verbesserungen zu ermessen. Es schien mir ein edler männlicher und bescheidener Ton darinn zu herrschen. Was Du sonst von der Hist. D. m. Tems vorläufig sagst, stimmt sehr mit den Erwartungen überein, die ich mir davon machte. Ich bin begierig, sie auch zu lesen.

Deine Idee zu dem Epischen Gedichte ist gar nicht zu verwerfen, nur kommt sie 6 biß 8 Jahre für mich zu früh. Laß uns späterhin wieder darauf kommen.

Alle Schwierigkeiten, die von der so nahen Modernität dieses Sujets entstehen, und die anscheinende Unverträglichkeit des epischen Tones mit einem gleichzeitigen Gegenstande würden mich so sehr nicht schrecken, im Gegentheil, es wäre eines Kopfes würdig, sie zu bestehen und zu überwinden. Wenn einige vollendetere poetische Werke und einige gute historische Versuche die Erwartung des ganzen deutschen Publikums von mir genug erhöht und verbeßert haben werden, daß ich von seiner Seite etwas großes zur Beförderung einer solchen Nationalangelegenheit hoffen kann – Dinge, die alle einigen Schein der Wahrscheinlichkeit haben – dann läßt sich mehr darüber denken und sagen.

Ich bin jezt mit einer Uebersetzung der Iphigenia von Aulis aus Euripides beschäftigt. Ich mache sie in Jamben; und wenn es auch nicht treue Wiedergebung des Originales ist, so ist es doch vielleicht nicht zu sehr unter ihm. Die Arbeit übt meine dramatische Feder, führt mich in den Geist der Griechen hinein, gibt mir, wie ich hoffe unvermerkt ihre Manier – und zugleich liefert sie mir interessante Ingredienzien zum Merkur und zur Thalia, welche leztere sonst umsonst ihren Namen führen würde. Ich habe den Griechischen Text, die lateinische Uebersetzung und das Theatre Grec vom P. Brumoy dazu.

Die Niederl. Geschichte erwarte ich nunmehr mit jedem Posttag um sie Dir zu schicken. Im September des T. Merkur steht noch nichts von mir, den October habe ich noch nicht. – Meine Recension von Egmont hat viel Lärm in Jena und Weimar gemacht, und von der Expedition der A. L. Z. sind sehr schöne Anerbietungen an mich darauf erfolgt. Göthe hat mit sehr viel Achtung und Zufriedenheit davon gesprochen. In der Pandora für 89 die jezt heraus ist, findest Du ein Gedicht von mir – das sich sehr gut für die Pandora schickt. Du kannst es den Weibern lesen. Im nächsten Hefte der Thalia wird eins erscheinen, das ich einem alten Versprechen nach schuldig war. Ich denke, es wird Dich sehr interessieren.

Mein hiesiger Aufenthalt neigt sich nun zum Ende; er hat mir viel angenehme Stunden verschafft, und, was das beste ist, er hat mich mir selbst wieder zurückgegeben, und überhaupt einen wohlthätigen Einfluß auf mein inneres Wesen gehabt. Meinen Geburtstag werde ich noch hier zubringen, dann gehts nach Weimar. An Frau von Kalb habe ich Deinen Einschluß besorgt. Ich hab ihr diesen Sommer gar wenig geschrieben; es ist eine Verstimmung unter uns, worüber ich Dir einmal mündlich mehr sagen will. Ich widerrufe nicht, was ich von ihr geurtheilt habe: sie ist ein geistvolles edles Geschöpf – ihr Einfluß auf mich aber ist nicht wohlthätig gewesen.

Unsere Herzogin ist jezt in Rom angelangt, auch Herder ist da. Er hat ein Logis für sich allein, ohne Dalberg, bezogen, welches mir schon gleich sehr lieb ist. (Schreibe mir doch einmal, was Du von der Dalbergischen Musikalischen Composition hältst, und ob Dir seine lezten Stücke, Compositionen zu einigen Herderischen Gedichten, vorgekommen sind. Er ist Verfasser einer kleinen Schrift: Ueber die Musik der Geister.)

Ueber meine an Dich ergangene Bitte um einige Compositionen hast Du nicht geantwortet oder ist Dein Stillschweigen eine Antwort? Hast Du unter Deinen Sachen nicht meine teutsche Dissertation, die ich in Stuttgardt geschrieben? Hast Du sie, so schicke mir sie doch.

Beiten jezt etwas zu zahlen ist mir ganz unmöglich. Im Gegentheil, ich sollte eher Geld einzunehmen haben, als weggeben, und um nur das, was ich für mich nöthig brauche zu haben, muß ich mir von Wieland oder Göschen vorschießen lassen. Ich habe so vielerlei den Sommer angefangen und so wenig fertig gemacht. Dieses Jahr kann ich noch 3 Hefte Thalia expediren, aber alle 3 erst im December, weil alles dazu fertig ist, außer dem Geisterseher, der doch in allen dreien seyn muß.

Miller wartet schon noch bis zur Ostermesse. Was Beiten betrifft, so will ich suchen dieses Neujahr etwas davon abzuthun. Ich schränke mich gewaltig ein, und werde es noch mehr thun. Ich wünschte sehnlich, mich einigermaßen in Ordnung gebracht zu sehen. Vielleicht schießt Göschen mir das Geld ganz vor.

Ich erinnere mich nicht, Dir von einem Herrn v. Labes gesagt zu haben. Hätte ich ihn gekannt, so müßte ichs rein vergessen haben.

Lebe wohl. Grüße die Weiber und schreibe mir bald wieder.

Schiller.