Jena den 22. März [Freitag] 93.
Meinen Brief wirst Du, wie ich hoffe, nun schon seit 8 Tagen haben. Ich hatte wieder einige ganz leidliche Tage, heute aber hat es mich wieder mitten unter der Vorlesung überfallen. Meine Existenz wird durch diese elenden Zufälle so zerrissen, daß ich in nichts recht fortfahren kann. In vier Tagen bin ich mit meinen Vorlesungen zu Ende, und dann kann ich unsere ästhetische Correspondenz wieder vornehmen, worauf ich mich freue.
Huber hat mir geantwortet, daß die bewußten Briefe sich noch unter seinen Sachen in Frankfurt befänden, und also nicht eher, als biß er dahin zurückreiste, verabfolgt werden könnten. Er will sie an mich schicken, und seine Briefe wirst Du mir also zuschicken. Wenn es geschehen darf, so möchte ich doch einen einzigen von denjenigen Briefen lesen, die er seit 2 biß 3 Jahren an D. geschrieben hat. Kannst Du es mit Deiner Zeit und D. Gewissen verantworten, so schreibe mir doch einen davon ab, oder bitte D. mir das Original zu schicken, ehe sie es mit den übrigen einsiegelt. Es ligt mir daran zu wissen, welchen Grad der Unwahrheit gegen sie er sich erlaubt hat. Von nun an, dächte ich, könntet ihr ihn völlig vergessen und ignoriren. Wäre hier Rache nöthig, so würde ich sagen, daß die F** sie reichlich an ihm ausüben wird.
Uebrigens ist er jetzt sehr à son aise. Er will gehört haben, daß man ihm eine Pension von 200 Thlrn. lassen werde. Zweyhundert Carolin hat ihm Voß in Berlin für seine Politische Zeitschrift jährlich zugesagt. Mit seinem Vater steht er gut, wie er schreibt, und von seiner Mutter hofft er, sie werde sich geben. Ueber das übrige mehr wenn ich besser bin. Jetzt ist meine Schreibkraft erschöpft.
Lebe wohl und grüße M. u. D. herzlich von uns. Mache ja, ich bitte Dich, daß Dein Plan mit Jena zu Stande kommt. Das wäre mir eine frohe Aussicht für dieses Jahr.
S.