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Schiller an Gottfried Körner, 23. Februar 1788

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Weimar, d. 23. Febr. [Sonnabend] 1788.

Ihr gebt ja kein Lebenszeichen von Euch; alles ist dort bei euch herum wie ausgestorben – und doch, dächte ich, hätte ich jetzt mehr von Dresden zu erfahren, als Ihr von Weimar, da Huber, wie Göschen mir gesagt, in Leipzig erwartet wird. Ich sehne mich nach ihm mit Ungeduld – obgleich die Freude ihn zu sehen mich nicht so eigennützig beschäftigt, daß ich vergäße, wie schwer Ihr euch von ihm trennen werdet. Dorchen aber, hoffe ich, wird auf diesen Schritt gefaßt seyn, da er sie nicht überrascht, und wenn ich sie recht kenne, so wird ein Opfer ihr nicht unerträglich fallen, das ihn glücklich macht; so gewiß sie in manchen Augenblicken der vergangenen Jahre durch die Unsichern Aussichten seines Schicksals beunruhigt worden ist. Hubern wünsche ich jetzt alle die Unbefangenheit und Lebhaftigkeit des Geistes, die ihn für diese neue Situation geschickt macht – und möchte er zwischen dem, was Er war und ist und dem, was andre sind, jetzt eine glückliche Mittelstraße halten. Für sein Herz und die Harmonie unserer Empfindungen ist mir nicht bange, wenn ich gleich darauf gefaßt bin, daß auf diesem Instrumente noch mancherlei gespielt werden wird. Es ist Deine Sache, lieber Körner, (weil Du doch von uns Dreien mit Dir selbst am meisten fertig geworden bist) der Aufseher über uns zu seyn und, wenn ich so sagen soll, die 2 Uhren nach der Deinigen zu stellen, wenn sie varieren sollten.

Schreibt mir also ja, wann ich Hubern zu erwarten habe, und überhaupt, wann ich anfangen soll, mir Euch ohne ihn zu denken. Fast fürchte ich, daß er Charlotte nicht einmal hier treffen wird. Sie wird biß in die Mitte des May nicht hier seyn, in acht Tagen reist sie mit ihrem Manne zu einer Zusammenkunft mit seinem Bruder auf eins ihrer Güter und geht von da nach Kalbsrieth, wo sie solange bleiben wird, biß das Semestre ihres Mannes verstrichen ist. Es wäre doch ärgerlich, wenn er sie nicht sehen sollte! Im Nothfall müßten wir sie in Kalbsrieth besuchen.

Göschen war hier, beinahe 8 Tage. Er ist ein zufriedener Glücklicher; aber ich wollte, daß Ihr mir seine Braut beschriebet, und was von dieser Heurath überhaupt zu halten ist; denn durch ihn ist kein gesunder Begriff von ihr zu gewinnen. Es ist ordentlich lustig, wie die Leutchen hier Göschen schätzen. Wieland nennt ihn einen vorzüglichen Sterblichen; Bode gefällt sich, seinen Protector zu machen, und Bertuchs mercantilische Seele ist durch die seinige erquickt. Wir waren oft beieinander, weil er sich in meinem Circel herumtreibt; von euch habe ich ihn keine Silbe gefragt und er hat nicht angefangen. Ich gebe ihm auf diese Messe noch eine Thalie, weil ich es nach dem Avertissement des Neuen Merkur nicht schicklich mehr thun kann; Hubers heiml. Gericht und die Fortsetzung des Geistersehers werden der Inhalt seyn. Mit dem Carlos ist er diese nächste Messe fertig und wird ihn auf Michael. neu auflegen. Meine Rebellion wird schwerlich auf Ostern erscheinen, theils weil es an gutem Papier fehlt, theils weil ich sie nicht in so viele Lieferungen verzetteln mag. Sie wird in allem über vier Alphabethe betragen, und auf Ostern könnte nur Eines fertig seyn. Es ist ungeheuer, was sie mich Arbeit kostet, nicht die Erzählung selbst, sondern das Materialiensammeln; aber sie gewährt mir Vergnügen, und ich halte auch die Zeit nicht für verloren.

Weimar hat dieser Tage einen Auftritt erlebt, der die Menschlichkeit interessiert. Ein Husarenmajor, nahmens Lichtenberg, ließ einen Husaren, eines höchst unbedeutenden Fehltritts wegen, durch 75 Prügel mit der Klinge so zu Schanden richten, daß man an seinem Leben zweifelte. Vorfälle dieser Art sind in dieser Stadt freilich sehr neu; es entstand eine allgemeine Indignation vom Pöbel biß zu dem Hofe hinauf. Das gemeine Volk rächte sich an ihm durch Pasquille, die es an seien Thür schlug; ein adliges Hauß wo er auf denselben Abend zum Souper gebeten war, ließ ihm absagen und die Herzogin Louise weigerte sich, in seiner Gesellschaft ihrem Manne entgegen zu fahren. Man weiß noch nicht gewiß ob der Herzog davon unterrichtet ist; auf allen Fall, fürchte ich, wird er sich nicht bei dieser Sache auf eine seiner würdige Art benehmen, weil unglücklicherweise dieser Lichtenberg, der ein guter Soldat seyn soll, ihm jetzt unentbehrlicher ist als seine Minister. Ich schreibe Dir diesen Auftritt, weil er ein gutes Gegenstück zu den vorhergehenden Epochen Weimars abgeben kann, wo man im Conseil wertherisierte.

Sonst ist hier alles wie immer und von mir kann ich Dir jetzt auch nichts wichtigeres sagen; vielleicht ein andermal. Grüße mir alle von Herzen.

Dein Schiller.