HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 26. Mai 1788

Schiller an Gottfried Körner, 26. Mai 1788

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Volkstädt bei Rudolstadt, 26. Mai [Montag] 1788.

Seit acht Tagen bin ich nun hier in einer sehr angenehmen Gegend, eine kleine halbe Stunde von der Stadt, und in einer sehr bequemen heitern und reinlichen Wohnung. Das Glück hat es gefügt, daß ich ein neues Haus, das besser, als auf dem Lande sonst geschieht, gebaut ist, finden mußte. Es gehört einem wohlhabenden Manne, dem Cantor des Orts. Das Dorf liegt in einem schmalen aber lieblichen Thale, das die Saale durchfließt, zwischen sanft ansteigenden Bergen. Von diesen habe ich eine sehr reizende Aussicht auf die Stadt, die sich am Fuße eines Berges herumschlingt, von weitem schon durch das fürstliche Schloß, das auf die Spitze des Felsen gepflanzt ist, sehr vortheilhaft angekündigt wird, und zu der mich ein sehr angenehmer Fußpfad, längs des Flusses, an Gärten und Kornfeldern vorüberführt. In dem Dorfe selbst ist die Porzellanfabrik, die Du vielleicht kennst. Ich habe zwei kleine Stunden nach Saalfeld, ebenso weit nach dem Schlosse Schwarzburg und zu verschiedenen zerstörten Schlössern, die ich alle mit einander nach und nach besuchen will. – In der Stadt selbst habe ich an der Lengefeldschen und Beulwitzschen Familie eine sehr angenehme Bekanntschaft, und bis jetzt noch die einzige, wie sie es vielleicht auch bleiben wird. Doch werde ich eine sehr nahe Anhänglichkeit an dieses Haus, und eine ausschließende an irgend eine einzelne Person aus demselben, sehr ernstlich zu vermeiden suchen. Es hätte mir etwas der Art begegnen können, wenn ich mich mir selbst ganz hätte überlassen wollen. Aber jetzt wäre es gerade der schlimmste Zeitpunkt, wenn ich das bischen Ordnung, das ich mit Mühe in meinen Kopf, mein Herz und in meine Geschäfte gebracht habe, durch eine solche Distraction wieder über den Haufen werfen wollte.

Ich habe vieles zum Lesen mit hierhergebracht. Es kommt nun darauf an, was zu Ausgang meines Termins wird geschehen seyn. Täglich stoße ich noch auf meinen Mangel an Lectüre, und beinahe fürchte ich, daß ich die letzten zehn Jahre nie ganz werde ersetzen können. Daran hindert mich wie immer das leidige Bedürfniß, daß ich viel schreiben muß, und der unglückliche Umstand, daß ich langsam arbeite. Nach der gewissenhaftesten Zeitberechnung, wie sie sich nämlich bei solchen willkürlichen Fällen anstellen läßt, bleiben mir des Tages höchstens drei Stunden zur Lectüre – und wie wenig ist das bei einer solchen Anzahl nur der unentbehrlichsten Schriften, die ich nachholen muß.

Die Arbeiten, mit denen ich diesen Sommer zu Stande kommen möchte, sind der Geisterseher, der leicht auf fünfundzwanzig bis dreißig Bogen anlaufen dürfte, der zweite Theil meiner niederländischen Rebellion und der Rest des ersten, ein Theaterstück (noch steht es dahin, ob dieses der Menschenfeind oder ein anderes seyn werde, das ich, wie der Schwabe sagt, an der Kunkel habe) und hier und da ein Aufsatz in den Mercur. Aus dem bisherigen Lauf meiner Schreibereien zu schließen, dürfte dieses Unternehmen wohl fast übertrieben seyn. Indessen wollen wir sehen. Geschieht auch nicht alles, so ist doch immer das gewonnen, was geschieht. Ganz bin ich hier doch noch nicht zu Hause; auch meine Arbeiten strömen noch nicht. Bin ich aber einmal darin, so weiß ich aus der Erfahrung, daß es rasch geht; und weil alsdann die Unregelmäßigkeiten und Zerstreuungen wegfallen, die den Lauf meines Fleißes in der Stadt gehemmt haben, so gelingt es mir vielleicht, alsdann desto länger in dieser Thätigkeit zu verharren.

Ich freue mich, daß Du wieder gesund bist. Dein Zustand scheint mir von gallichter Art. Du hattest Dich doch nicht geärgert? Deinen letzten Brief, worin Du mir davon schriebst, habe ich sehr spät bekommen, weil er mich nicht mehr in W. fand. Laß Deine Briefe künftig unter der gewöhnlichen Adresse unmittelbar nach Rudolstadt laufen. Grüße mir die Beiden herzlich. Lebe wohl.

Schiller.