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Schiller an Gottfried Körner, 6. Oktober 1787

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Weimar d. 6. October [Sonnabend] 87.

Du schreibst mir in Deinem lezten Briefe, dass Du einen von mir erwartetest, und ich habe Dir drei Posttage hintereinander allemal geschrieben und zwei Posttage vergeblich einen von Dir erwartet. Besinne Dich doch, ob Du 2 Briefe von mir schon in Händen gehabt hast, ehe Du Deinen lezten an mich fortschicktest – und ob Du nachher noch einen erhalten hast. In diesem lezten habe ich Dir wegen meiner Zurückkunft soviel geschrieben, dass ich noch gar nichts bestimmen kann.

Herr von Kalb ist noch nicht hier; die französischen Offiziers sind von ihren Semestern biß jezt noch zurückgehalten worden; Charlottens Verfassung ist dieselbe wie ich hieher kam – warum wär ich also hier gewesen? Ich bin der Reflexionen darüber so müde geworden, daß ich dieser Materie aus dem Wege gehe – und biß ich mit meiner gegenwärtigen Arbeit zu Rande bin habe ich es ganz aufgegeben, an mich selbst zu denken.

Von hiesigen Neuigkeiten habe ich Dir wenig zu schreiben. Unser Herzog geht, zum Leidwesen des ganzen Landes, in holländische Dienste; er war etliche Tage hier, und ist im Flug wieder fort nach Holland um wahrscheinlich den ganzen Winter da zu bleiben. Gesprochen habe ich ihn nicht. Ich ließ ihm durch Knebel melden, daß ich ihm gern mein Compliment machte, wenn er einen Augenblick für mich übrig hätte; zu sprechen hätte ich aber sonst nicht mit ihm worauf ich zur Antwort bekam, daß er mir eine Zeit nennen würde. – Es ist aber nicht geschehen, weil sie ihn hier gar nicht zu Athem haben kommen lassen. Gestern Abend ist er fort.

Biester war dieser Tage auch hier. Er gefällt mir wenig. Eine feine, forschende Physiognomie, der es aber doch auch nicht an Presomption fehlt. Er war bei Lavatern, der ihn fast über Magnetismus bekehrt hat. Auch Lavaters Sohn war in Weimar, der sich in der Welt herumführt und sagt, dass er nicht von seines Vaters Meynung sey. Sein Vater, hört man von ihm, bereue jezt manches – er gibt auch Aufschlüsse über seinen Vater, die vieles gutmachen. Schade, daß er diesen Sohn nicht vor seine Schriften kann binden lassen. – Es sind doch indiscrete Bursche – die Autoren! Der junge Mensch erzählt unter andern auch Campen von seinem Vater, und dass dieser vieles zurücknehmen würde, wenn er könnte. – Campe läßt das drucken, und Lavater jammert gegen seinen Sohn, daß der arme Mensch jezt niemand mehr traut. Ich bin diese Woche von vielen Göttingern heimgesucht worden, die während der Ferien herumstreifen. Sie erzählten mir von Schlözers farce mit seiner Tochter, die doch ganz erbärmlich ist. – Bürger will über den Kant lesen.

Mit Wieland habe ich seit einiger Zeit wieder sprechen müssen, weil wir einander an fremdem Ort trafen. Neulich war ich bei einem Soupee, das Hofrath Voigt gab, wobei Wieland auch war und wo ich ihn nach 6 Wochen zum erstenmal wieder sah. Wir haben von der Zeitung gesprochen. Es ist doch sonderbar mit den Menschen. Wenn es mir sonst begegnet wäre, dass meine schöne und überspannten Ideale von Menschen und Freundschaft so zu schanden gingen, so hätte ich mich eines Widerwillens oder Schmerzes kaum erwehren können. Hier war ich so ruhig, kalt und unbefangen, dass ein Dritter nichts ahnden konnte, wie nahe wir uns einst waren und wie trival wir aus einander kamen. Es ist hier seit dem 1. October eine Mittwochsgesellschaft von Damen und Herren, die recht artig ist, aber kein Adel wird zugelassen. Bei dieser bin ich auch, es wird gespielt, discouriert, zuweilen auch getanzt und dann in Gesellschaft soupiert. Hier hab ich Wieland wieder und mehr gesprochen. Er spielte schon wie ich kam, weil noch sonst wenige da waren stellte ich mich zu seinem Spieltisch. Er wollte mir einen Stich versetzen und sagte, ich müsse mir eine sehr schlechte Idee von ihm machen weil ich ihn nie sehe als mit Carten. Ich sehe ihn recht gern so, sagte ich. Aber fuhr er fort, sein Leben sei überhaupt ja nur Spiel. – Es drückte mich auf dem Herzen, Amen zu sagen. Die Bertuch gab mir hernach ihre Charten, und ich spielte mit. Ich hielt nachher eine Unterredung mit ihm über den tiefen Geist des Whistspiels und bekam seine Spielerfahrung zu hören. Seine Frau kam dazu und er sprach von seinem friedlichen Ehestand. Hier hat er mir recht wohl gefallen.

In der That ist sie auch ein so nachgiebiges gutmüthiges Geschöpf, als Wieland braucht, um in der Ehe nicht ein unglücklicher Mensch zu seyn und andre dazu zu machen. Ich habe jetzt eine Whist Parthie hier erschaffen, welche auch für diese Mittwochsgesellschaft beisammen ist, diese besteht aus der Mlle Schmidt und Schröder, dem Cammerrath Riedel, der Instructor beim Prinzen und ein sehr braver junger Mann ist, dem Hofmedicus Hufland und mir. Du wirst gestehen, dass ich auch für die Augen dabei gesorgt habe. Die Mlle Schmidt ist gar sehr artig gegen mich, das ich euch gar nicht sagen darf. Ihr Vater invitierte mich neulich zu sich, und ich werde vielleicht wohl hingehen – des Whists wegen. Mit der Schrödern bin ich auf dem charmantesten Fuß. Sie hat mir neulich ihre Lieder zum Präsent gemacht, und ich ihr den Carlos. Sie hat für mich das Gute, dass sie natürlich ist. Dieser Tage ist hier Bilderausstellung, wo sehr gute Stücke von der Schrödern seyn sollen. Selbst da gewesen bin ich noch nicht. Meine übrige Abende bringe ich entweder bei Charlotten oder der Fr. v. Imhof zu wo wieder gespielt wird. Ich habe wirklich jezt Bedürfniß dazu, weil ich viel arbeite und lese.

Voigt sagte mir, daß ihm vor 5 Tagen von Wagnern aus Dresden geschrieben worden, Du würdest Hofrath. Hat sich vielleicht wieder etwas gezeigt? Von Dalberg habe ich die versprochene Geistersehergeschichte erhalten, woran nicht viel besonders ist. Ich werde sie Dir aber schicken. – Im September-Heft des Merkur findest Du Wielands Recension vom Carlos. Es ist einiges gut darin gesagt.

Charlotte empfiehlt sich euch recht herzlich. Grüße mir alle hunderttausendmal und lebe wol.

Dein Schiller.

Mit Beit will ich berichtigen; willst Du nur die Mühe übernehmen und die Interessen biß auf Ostern mit ihm ausmachen, den Wechsel aufsetzen und mir schicken.