HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 10. Juni 1792

Schiller an Gottfried Körner, 10. Juni 1792

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Jena, 10. Juni [Sonntag] 1792.

Dieser Tage habe ich unsere zwei Husaren hiergehabt. Funk begegnete ich vorige Woche schon in Erfurt beim Coadjutor, ohne daß der eine vom andern wußte. Er besuchte uns alsdann auch hier, und wir verlebten ein Paar sehr angenehme Tage miteinander. Wäre Funk nicht etwas uneins mit sich selbst und in Gesellschaft nicht zu angespannt, es ließe sich sehr gut mit ihm leben; aber er ist nicht ohne Prätensionen und zu wachsam auf sich und andere. Auf einen cordialen Ton glaube ich nicht mit ihm kommen zu können.

Thielmann gefällt mir überaus wohl; doch kann ich Dir von ihm mein Urtheil noch nicht sagen. Sein Aufenthalt war zu kurz, und ich hatte unglücklicherweise gerade einen schlimmen Tag, wo ich weder genießen konnte, noch genießbar war. Er wird bald wiederkommen und seine Frau mitbringen. Reinhold habe ich, seit Thielmann hier war, nicht gesprochen.

Auch Wagner haben wir hier, und ich denke, daß er mit unserem Betragen gegen ihn zufrieden ist. Da er im Schützschen Hause wohnt, so belästigt er uns selten. Er sowohl als Funk sprechen mir sehr viel von Deiner politischen Wichtigkeit in Dresden, und wieviel Gutes durch Dich gestiftet würde und noch zu stiften sei. Vielleicht weißt Du selbst nicht, daß Dein Verdienst auch gekannt und gefühlt wird, und ich denke, diese Entdeckung müßte Dich freuen.

Wenn Dir die Uebersetzungsarbeit kein Vergnügen macht, so wärst Du ja nicht klug, Dir diese Last aufzubürden. Aber mir scheint nur, daß auch die Kunst Dir nicht immer ein ungemischtes Vergnügen gebe, daß sie Dich oft mit Dir selbst entzweie, und einen Drang selbst zu arbeiten in Dir erwecke, den Du nicht entschlossen genug unterdrückst, und doch auch nicht Hand anlegst zu befriedigen. Die sogenannten unteren Seelenkräfte sind wie schlafende Löwen, die man oft besser thut nicht zu wecken, weil man sie nicht sogleich zum Schweigen bringen kann; und Dein Fall ist noch gar nicht, daß die bloße müßige Betrachtung Dich befriedigte. Dann bilde ich mir zuweilen ein, daß eine reinere Wirksamkeit der Vernunft das beste Mittel sei, den Streit in Deinem Kopfe beizulegen und Dir Genüsse zu verschaffen, die Du nicht erst mit unzufriedenen Momenten erkaufen darfst.

Man sagt mir hier viel Gutes von Allwills Papieren, die neu herausgekommen sind, und von einer Rehbergschen Schrift über die Erziehung. Sieh doch nach, ob etwas daran ist.

Leuchsenring aus Berlin, den Du vielleicht par renommé auch kennst, ist auf gut despotisch aus dem Preußischen verwiesen, und (man weiß nicht warum?) seine Papiere ihm weggenommen worden. Vor seiner Abreise warf sich ihm noch eine Liebschaft, ein Frl. v. Bielefeld, die bei der Prinzessin Auguste Hofmeisterin war, an den Hals, und erklärte, daß sie ihn selbst im Tode nicht verlassen werde. Er hat sie mitgenommen als seine Frau, und nun ist er nach der Schweiz ohne irgend eine Aussicht. In Erfurt habe ich das seltsame Paar gesprochen. Sie ist ein leeres unbedeutendes Geschöpf aus der Classe der ganz gemeinen empfindsamen Weiber, und wie es scheint, hat diese Consortin schon auf ihn gewirkt. Ich bin neugierig, ob die Extremität aus Leuchsenring etwas machen wird. Er hat schon seit zwanzig Jahren bloß Materialien gesammelt, und wenig oder nichts geschrieben. Jetzt ist Schriftstellerey seine vornehmste, wo nicht einzige Hilfsquelle, und nun wollen wir sehen, was er hervorbringt.

Mich beschäftigt jetzt der dreißigjährige Krieg ziemlich regulär; doch habe ich höchstens vier kleine Kalenderbogen fertig. Dafür bemerke ich aber auch kaum, daß ich arbeite. Sonst geht es mit meiner Gesundheit, wie Du mich in Dresden gefunden hast. Es ist alles noch beim Alten. Den Egerbrunnen fange ich in wenigen Wochen an. Zu magnetischen Versuchen hat sich bis jetzt weder ein Subject noch ein Object finden wollen.

Hast Du von Huber seitdem Briefe gehabt, und ist in der bewußten Sache noch kein Schritt geschehen?

Ich möchte gar zu gern für das vierte Stück der Thalia etwas Gedachtes und Interessantes, da ich diesem Stücke von eigener Arbeit gar nichts beisteuern kann. Solltest Du etwas dafür fertig machen können? Du thätest mir einen großen Gefallen.

Meine Frau grüßt Euch alle herzlich, wie auch ich. Dorchens Brief hat ihr viele Freude gemacht. Lebe wohl.

Dein S.