HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 22. Februar 1791

Schiller an Gottfried Körner, 22. Februar 1791

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Jena den 22. Febr. [Dienstag] 91.

Endlich nach einer langen Unterbrechung kann ich mich wieder mit Dir unterhalten. Meine Brust, die noch immer nicht ganz hergestellt ist, erlaubt es nicht, daß ich viel schreibe; sonst hättest Du schon früher einen Brief von mir erhalten. Dieser noch fortdauernde Schmerz auf einer bestimmten Stelle auf meiner Brust, den ich bei starkem Einathmen, Husten oder Gähnen empfinde und der von einem Gefühl der Spannung begleitet ist, beunruhigt mich in manchen Stunden, da er durchaus nicht weichen will, und läßt mich zweifeln, ob meine Krankheit durch eine vollkommene Crise gehoben ist. Alles andre geht sonst gut, Appetit, Schlaf, Kräfte des Körpers und der Seele, obgleich die Kräfte sehr langsam sich einstellten. Es machte meine Krankheit gefährlicher, daß sie Recidiv war. Schon in Erfurt erlebte ich einen Anfall, der aber durch einen dortigen, nicht ungeschickten Arzt mit zu weniger Aufmerksamkeit behandelt und weniger kurirt als zugedeckt wurde. Gegen 8 Tage nach diesem ersten Anfall befand ich mich wohl, in Weimar, wo ich gegen 3 Tage war, fühlte ich gar nichts; aber schon den andern Tag nach meiner Heimkunft, wo ich wieder zu lesen angefangen hatte, kam das Fieber und nahm mit großer Heftigkeit zu. Doch war die Krankheit mehr Seitenstich als Lungenentzündung, welche höchstens auf der Oberfläche rechterSeits inflammirt war. Am 3ten Tage spie ich Blut und empfand etwas von Beklemmungen, welche mich aber durch die ganze Krankheit wenig plagten. Auch der Schmerz auf der Seite und der Husten war bei der Heftigkeit des Fiebers überaus mäßig. Eine starke Aderlässe, Blutigel, zweimal Vesicatorien auf der Brust verschafften mir Luft. Der blutige Auswurf färbte sich bald und hatte guten Eiter. Nur die üble Einmischung des Unterleibs machte das Fieber complicirt. Ich mußte purgirt und vomirt werden. Mein geschwächter Magen brach 3 Tage lang alle Medicin weg. In den ersten 6 Tagen konnt ich keinen Bissen Nahrung zu mir nehmen, welches mich bei so starken Ausleerungen der ersten und zweyten Wege und der Heftigkeit des Fiebers so sehr schwächte, daß die kleine Bewegung, wenn man mich vom Bette nach dem Nachtstuhl trug mir Ohnmachten zuzog, und daß mir der Arzt vom siebenten biß eilften Tage nach Mitternacht mußte Wein geben lassen. Nach dem Siebenten Tage wurden meine Umstände sehr bedenklich, daß mir der Muth ganz entfiel; aber am 9. und 11. Tage erfolgten Crisen. Die Paroxysmen waren immer von starkem Phantasiren begleitet, aber das Fieber in der Zwischenzeit mäßiger und mein Geist ruhig. Reichliche Schweiße, Auswurf und Stuhlgang machten die Crise aus, von der ich jedoch zweifle, ob sie vollständig war. Erst acht Tage nach Aufhören des Fiebers vermochte ich einige Stunden außer dem Bette zuzubringen, und es stand lange an, ehe ich am Stocke herum kriechen konnte. Die Pflege war vortrefflich, und es trug nicht wenig dazu bey, mir das Unangenehme der Krankheit zu erleichtern, wenn ich die Aufmerksamkeit und die thätige Theilnahme betrachtete, die von vielen meiner Auditoren und hiesigen Freunden mir bewiesen wurde. Sie stritten sich darüber, wer bey mir wachen dürfte, und einige thaten dieses 3mal in der Woche. Der Antheil, den man sowohl hier als in Weimar an mir nahm, hat mich sehr gerührt. Nach den ersten 10 oder 12 Tagen kam meine Schwägerin von Rudolstadt und ist noch hier; ein höchstnöthiger Beystand für meine liebe Lotte, die mehr gelitten hat, als ich. Auch meine Schwiegermutter besuchte mich auf 8 Tage und diesem innigen Leben mit meiner Familie, dieser liebevollen Sorge für mich, den Bemühungen meiner anderen Freunde mich zu zerstreuen, danke ich größtentheils meine frühere Genesung. Zu meiner Stärkung schickte mir der Herzog ein halb Dutzend Bouteillen Madera, die mir neben ungarischem Weine vortreflich bekommen.

Uebrigens war es, ehe Dein letzter Brief noch ankam, schon bei mir beschlossen, den academischen Fleiß meiner Gesundheit nachzusetzen. Außerdem daß die noch fortdauernde schmerzhafte Spannung meiner Brust mir es zweifelhaft macht, ob meine Lunge nicht noch schlimme Folgen von dieser Krankheit trägt, mußte mir die Heftigkeit des gehabten Anfalls die größte Schonung auflegen. Daß ich diesen Winter nicht mehr lese, versteht sich von selbst; aber auch den Sommer habe ich beschlossen noch auszuruhen. Selbst wenn ich dieses meiner Gesundheit nicht schuldig wäre, würde mir die Anhäufung schriftstellerischer Geschäfte, worunter der Calender sich befindet, keine andere Wahl erlauben. Ich werde, wie ich hoffe, die Dispensations ohne Anstand von dem Herzog erhalten, bey dem ich sie der Form wegen suchen muß; überhaupt aber will ich die günstige Stimmung des Weimarschen Hofes für mich dahin zu nutzen suchen, daß mir die völlige Freiheit zu lesen und nicht zu lesen auch für die Zukunft gelassen wird. Ich habe vom Herzog hierinn alles Gute zu erwarten. Wenn ich alsdann auch wieder lese, so werden es nur privatissima seyn, eins in einem ganzen Halbjahr, welches ich auf meiner Studirstube lesen kann, wo der größere Preis allenfalls ersetzt, was an der Menge der Auditoren abgeht, und wo ich überhaupt die ganze Arbeit mehr als Conversation und Unterhaltung behandeln kann. So werde ich künftigen Winter förmlich Aesthetik studiren und darüber lesen. Die Nebenstunden sind für eben solche Ausarbeitungen bestimmt, die sich zur Thalia qualificiren, wie die Theorie der Tragödie und wenn ich mir ein rechtes Fest machen will, so denke ich dem Plan zu meinem Trauerspiele nach, der mich seit einiger Zeit sehr beschäftigt hat. Genug für dießmal. Grüße Minna und Dorchen herzlich von mir und meiner Lotte, und lebe wohl.

Dein Schiller.