HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 24. Mai 1791

Schiller an Gottfried Körner, 24. Mai 1791

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Rudolstadt, 24. Mai [Dienstag] 1791.

Endlich bin ich so ziemlich wieder hergestellt. Meine Frau wird Dir von der Beschaffenheit meines letzten Anfalls nicht viel haben schreiben können, da die Post pressirte. Es war ein heftiges Asthma, wahrscheinlich von Krämpfen im Zwerchfell erzeugt, auf das sich eine Schärfe geworfen hatte. Unter den wiederholten und periodisch zurückkehrenden Anfällen waren zwei, einer am Sonntag vor achtzehn Tagen, der andere am Dienstag, fürchterlich. Der Athem wurde so schwer, daß ich, über der Anstrengung Luft zu bekommen, bei jedem Athemzuge ein Gefäß in der Lunge zu zersprengen glaubte. Bei dem ersteren stellte sich ein starker Fieberfrost ein, so daß die Extremitäten ganz kalt wurden, und der Puls verschwand. Nur durch immer continuirtes Anstreichen konnte ich mich vor der Ohnmacht schützen. Im heißen Wasser wurden mir die Hände kalt, und nur die stärksten Frictionen brachten wieder Leben in die Glieder. Man hat alles angewendet, was nur die Medicin in solchen Fällen wirksames hat; besonders aber zeigte sich das Opium, das ich in starken Dosen nahm, Campher mit Moschus, Klystire und Blasenpflaster wirksam. Eine Aderläße am Fuße machte die dringende Gefahr der Erstickung nothwendig. Am Dienstag wurde Starke in der Nacht von Jena abgeholt; er traf mich aber schon besser und in einem wohlthätigen Schlafe. Starkes Urtheil von dieser Krankheit ist, daß Krämpfe im Unterleibe und Zwerchfell zum Grunde liegen, die Lunge selbst aber nicht leide; und es ist wahr, daß dieser fürchterliche Zufall selbst der stärkste Beweis davon ist, weil ein örtlicher Fehler in der Lunge sich bei der convulsivischen Anstrengung der Respirationswerkzeuge nothwendig hätte offenbaren müssen, welches nicht geschah. Ich warf während dieser ganzen Zeit niemals Blut aus, und nach überstandenem Paroxysmus, der zuweilen fünf Stunden währte, konnte ich ganz frei respiriren. Dies bewies mir hinlänglich, daß kein Geschwür in der Lunge vorhanden, oder gar geborsten sei, wie ich anfänglich gewiß glaubte. Aber es ist sonderbar, daß der spannende Schmerz auf der rechten Seite der Brust sich unverändert erhalten hat, und daß ich ihn noch ebenso fühle, wie vor diesen Anfällen. Was daraus werden soll, weiß ich nicht; doch habe ich jetzt weniger Furcht, als vor vier Wochen. Überhaupt hat dieser schreckhafte Anfall mir innerlich sehr gut gethan. Ich habe dabei mehr als einmal den Tod ins Gesicht gesehen, und mein Muth ist dadurch gestärkt worden. Den Dienstag besonders glaubte ich nicht zu überleben; jeden Augenblick fürchtete ich der schrecklichen Mühe des Athemholens zu unterliegen; die Stimme hatte mich schon verlassen, und zitternd konnte ich bloß schreiben, was ich gern noch sagen wollte. Darunter waren auch einige Worte an Dich, die ich jetzt als ein Denkmal dieses traurigen Augenblickes aufbewahre. Mein Geist war heiter, und alles Leiden, was ich in diesem Momente fühlte, verursachte der Anblick, der Gedanke an meine gute Lotte, die den Schlag nicht würde überstanden haben.

Daß ich mich unendlich gefreut hätte, Dich in diesen Tagen zu sehen, brauch ich Dir nicht zu sagen. Ich fürchte, wir sehen uns dieses Jahr noch nicht. Könnte ich irgend die Unkosten der Reise bestreiten, so bin ich dem Verlangen meiner Eltern, die vielleicht eine spätere Zusammenkunft nicht erleben, schuldig, die Reise nach Schwaben zu machen; aber die Ausgaben, sowohl der Reise zu Dir als zu ihnen, sind mir für diesen Sommer und Herbst zu viel, da mich mein Krankseyn, ohne die Versäumniß von fast fünf Monaten, gegen dreißig Louisd’or kostet. Indessen soll geschehen, was möglich ist.

Lebe wohl und grüße Minna recht herzlich. Meine Frau und Schwägerin grüßen auch aufs beste.

Dein S.