HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 26. März 1789

Schiller an Gottfried Körner, 26. März 1789

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Weimar d. 26. Merz [Donnerstag] 89.

Ich war diese und die vorige Woche in Jena, um für ein Logis zu sorgen, das ich auch so ziemlich nach meinen Wünschen gefunden habe. Die Dienstfertigkeit einiger dortiger Menschen erleichtert mir meinen ersten Eintritt auf alle Art, so dass ich das Beschwerliche und Weitläuftige, das sonst damit verbunden zu seyn pflegt, kaum fühle. Von den Anstalten zur Geselligkeit in Jena habe ich auch eine Probe gesehen. Es ist dort von halbem Jahr zu halbem Jahr ein Clubb unter den Profeßoren veranstaltet, wozu auch eine Auswahl von Studenten gezogen wird. Zuweilen werden Concerte oder auch Bälle gegeben. Wie ich da war mögen doch gegen 100 Menschen darauf gewesen seyn, und für eine solche Anzahl, die zur Hälfte aus Studenten bestand, ging es ziemlich bescheiden und ruhig zu. Man bezahlt halbjährlich 8 Thaler, wofür man 25mal zu Abend ißt, versteht sich, daß man für den Wein besonders zu sorgen hat. Ich habe auch abonnirt, ohne mir übrigens viel Vergnügen zu versprechen. Es ist eine Ersparniß von Zeit, weil man hier viele Sachen abthun kann, die man sonst zu Hause auf dem Hals hätte. Es sind jetzt verschiedene junge Männer in Jena angestellt, die sich vielleicht doch in einen vernünftigen Zirkel zusammen thun und einander etwas seyn werden. Ein junger, geschickter Landsmann von mir, M. Paulus, wird Professor der orientalischen Sprachen; so ist auch ein junger Dr. Batsch, der in der Naturgeschichte stark seyn soll, und sehr gelobt wird, einer näheren Bekanntschaft werth. Diese machen mit Reinhold, Hufeland, Schütz und mir schon einen artigen Zirkel aus, zu dem sich vielleicht noch einige andere qualifizieren. Für feineren Umgang, wozu Weiber concurrieren könnten, ist schlechterdings nichts zu hoffen. Das Grießbachische Haus ist hier eins der ausgesuchtesten, aber von dieser Seite ist es ganz und gar nichts. Bei Reinholds verspreche ich mir noch eher einige angenehme Stunden. Im Ganzen aber, seh ich schon, muss ich mich auf meinen Fleiß, auf die schöne Gegend und auf unsre Briefe einschränken.

Ein Auditorium ist nicht bey meinem Logis, aber ich habe mich auch darnach wenig umgethan, weil es die Kosten nur vermehrt hätte, und weil mir das Döderleinische, Reinholds und vieler andrer ganz zu Gebote steht. Wahrscheinlich werde ich also mein Publicum in einem theologischen Lehrsaal eröfnen. Ein Publicum, das eine Einleitung in die Univ. Historie zum Gegenstande hat, habe ich schon in das gedruckte Verzeichniß der Vorlesungen setzen lassen. In der ersten Woche des Mays ohngefehr ziehe ich nach Jena, und in der Mitte des Mai werde ich meine Bude eröfnen.

Jezt lese ich, wie Du Dir leicht einbilden wirst, historische Schriften. Um doch einen Führer zu haben, der mich auf eine nicht gar zu ermüdende Art durch die Universalhistorie leitet habe ich mir die Universalhistorie des Millot angeschafft. Die Becksche, die ich auch habe, ist gar zu beschwerlich eingerichtet, der Noten wegen, die den Text weit übersteigen – eine Methode, die mir äuserst zuwider ist und auch wenig Geschmack verräth. Zur Berichtigung des Franzosen ist sie mir übrigens brauchbar. Die Schröckhsche W.Geschichte erwarte ich auch noch von Leipzig; aus diesen dreyen denke ich, in Verbindung mit Robertsohn, Gibbon, Bossuet und Schmidt schon eine interessante eigene – für das erstemal – herauszugeben. Aber schon von diesem Sommer an werde ich mich mit den besten Quellen selbst bekannt machen. In Spittlers Handbuch der Kirchenhistorie, mit dem ich eben jezt beschäftigt bin, finde ich vieles, das mich reizt und auf künftige Recherchen leitet. Eigentlich sollten Kirchengeschichte, Geschichte der Philosophie, Geschichte der Kunst, der Sitten und Geschichte des Handels mit der politischen in Eins zusammengefaßt werden, und dieß erst kann Universalhistorie seyn. Mein Plan ist es, diesen Weg zu gehen und zwar so früh als möglich dazu Hand ans Werk zu legen. Was ich von Gibbon gelesen habe, so viel nehmlich übersetzt ist, die 2 ersten Theile, hat mir ungemein viel gegeben, ob ich gleich gestehen muß, daß ich mir ihn nicht ganz zum Muster wählen würde. Es ist ein Werk des Genies, des Fleißes und einer ausgebreiteten Lecture, aber nicht frey von einer gewissen Jugendlichkeit, von gesuchter Künstlichkeit und zuweilen von einem falschen Geschmacke. Vieles hingegen ist mit einer wirklichen Meisterhand zusammen gestellt und vorgetragen. Die Fortsetzung erwarte ich mit Ungeduld. Wenn Du in der Messe Gelegenheit findest, so wollte ich Dich bitten, mir aus Deiner Bibliothek einige historische Schriften zu borgen, die ich vielleicht in Jena nicht finde. Doch will ich mich vorerst noch erkundigen. Deinen Rollin möchte ich gern diesen Sommer durchlesen, und einiges in Deinem sogenannten Hißmann ist für mein Publicum vielleicht auch zu brauchen, weil es einige sinnreiche Hypothesen enthält, die sich mitnehmen lassen, um hie und da eine trockene Materie aufzuheitern.

Du hast mir lange nicht geschrieben. Ein Paquet an Dich, das 3 Merkurstücke enthält, habe ich vor 14 Tagen in Jena auf die Post geben lassen, welches Du doch erhalten haben wirst. Wenn Dir der Merkur nicht anständig ist, so brauchst Du ihn meinetwegen nicht zu behalten; ich halte ihn dann für meinen Vater oder für meine Schwester, denen es Vergnügen macht, manchmal etwas von mir zu lesen. Vielleicht kannst Du ihn in Dresden in Deiner Lesegesellschaft ohnehin erhalten.

Lebewohl. Herzliche Grüße an Minna und Dorchen. Wie sehne ich mich, euch einmal wieder von Angesicht zu Angesicht zu sehen.

Dein Schiller.

P. S. Wegen des Beitischen Artikels hoffe ich Dir mit nächster Post etwas bestimmtes schreiben zu können; ein Brief, den ich in dieser Angelegenheit heute von Leipzig erwartete, ist nicht angelangt.