HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 27. Mai 1793

Schiller an Gottfried Körner, 27. Mai 1793

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Jena, den 27. May [Montag] 93.

Du mußt jetzt viele Geduld mit mir haben, und mir großmüthig creditiren. Das alte Uebel regt sich bey diesem unbeständigen Wetter so oft und hält gewöhnlich so hartnäckig an, daß ich immer von 3 Tagen 2 verliere, und in den guten Intervallen eilen muß, um nur das nothwendige an meine Geschäften zu fertigen. Die Thalia darf nicht in Stocken gerathen und ich werde durch meine Mitarbeiter gar zu schlecht unterstüzt. Deßwegen habe ich mich dieser Tagen mit 2 Aufsätzen dafür beschäftigt. Der eine handelt von Anmuth und Würde, der andre ist über pathetische Darstellung. Ich glaube daß beide Dich interessiren werden.

Was Du mir über meine Revision der Gedichte schreibst, finde ich sehr richtig, und so überzeugend, daß ich große Lust habe, dieser Stellen Deines Briefs in meiner Vorrede zu den Gedichten zu erwähnen.

Vor der Durchsicht der Künstler ist mir am wenigsten bange. Meine Ideen über Kunst haben sich seit der Zeit merklich erweitert, meine Gesichtspunkte sich verändert, manche Meinungen sich ganz und gar widerlegt. Doch muß ich gestehen, daß ich noch sehr viel philosophisch richtiges in d. Künstlern finde und darüber ordentlich verwundert bin. Ueber den Gang des ganzen Gedichts fürchte ich, mein Urtheil zu sagen. Er befriedigt mich gar zu wenig.

Unter den Gedichten, denen Du das Leben schenkst, fehlen noch einige wenige, die mir der Erhaltung werth schienen. Hektor und Andromacha ist eins meiner beßten und auch Amalia im Garten verdient Pardon. Unter denen an Laura ist das: Die Entzückung: vergessen, welches eins der fehlerfreyesten ist. Laura am Clavier hätte ich Lust aufzuopfern. Es freut mich, daß Du der berühmten Frau hast Gnade widerfahren lassen.

Sobald die Götter Griechenlands segelfertig sind, sollen sie Dir vorgelegt werden. Ich denke Du sollst gestehen, daß mich die Musen noch nicht verlassen haben, und daß die Critik die Begeisterung nicht verscheuchte. Beiliegende Broschüre ist der Pendant zu Deiner Predigt; aber ich habe ein Interesse mehr als Du, sie Deiner Bestellung zu empfehlen. Sie ist von meinem Vater; und warum sie gedruckt ist, wirst Du aus dem Innhalt ersehen. Ich wünschte gar angelegentlich, daß Du die beyliegenden 3 Exemplare in diejenigen Hände brächtest, wo sie am beßten angelegt sind – um Aufmerksamkeit auf d Verfasser zu erregen. Du thust mir einen großen Gefallen, wenn Du machen kannst, daß der Innhalt derselben in Dresden zur Sprache kommt.

H. v. Gleichen wird jetzt ohne Zweifel in Dresden angekommen sein. Seine Bekanntschaft wird Dir und der Minna vielleicht nicht unlieb seyn. Er liebt und versteht Kunst, mahlt schon ganz artig Landschaften in Öl und hat auch über die Theorie der Kunst nachgedacht. – An Kopf fehlt es ihm gar nicht, aber an Wissen. Er privatisirt in Rudolstadt bey einem sehr artigen Vermögen, und ist dort etwas träg geworden. Uebrigens ist er ein sehr braver Mensch, und einer meiner bessten Freunde in hiesiger Gegend. Seine Frau ist ein sanftes und gutmüthiges Geschöpf, eine der ältesten Bekannten meiner Lotte. Du wirst es beyden bald abmerken, daß Du Dich nicht vor ihnen zu geniren brauchst; vielmehr hoffe ich, daß sie Dir eine angenehme Gesellschaft seyn werden. Vielleicht verschaffen sie auch der Minna Unterhaltung, wenn ihr einander etwas näher kommt.

Lebewohl und grüße Dich selbst und Minna recht herzlich von uns beyden. Es ist Schade, daß Du nicht hier seyn kannst, die Inoculation vornehmen zu lassen. Es wird jetzt stark inoculirt, und viele fremden Kinder sind hergeschickt worden. Alles geht glücklich von statten.

Dein S.