HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 4. Oktober 1792

Schiller an Gottfried Körner, 4. Oktober 1792

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Jena, 4. October [Donnerstag] 1792.

Eben komme ich von einer Excursion nach Rudolstadt zurück, wohin wir meine Mutter geführt haben und zehn Tage geblieben sind. Deinen Brief erhielt ich darum etwas später, aber leider immer noch zu früh für die verdrießlichen Nachrichten, die er enthielt.

Dein Herr Ayrer – den der Henker noch im Grabe holen möge – hat sich gerade so gezeigt, wie ich immer fürchtete; als ein wahrer Philister. Wenn die Dreitausendthalernachricht sich bestätigt, so will ich wetten, daß irgend ein eigennütziger Schuft von Erbschleicher, der ihm zu insinuiren gewußt hat, daß das Geld in Deiner Hand nicht kaufmännisch genug wuchere, Dir bei ihm zuvorgekommen ist. Vermuthlich hat ein Einziger, der schon reich genug ist, alles bekommen; denn es ist die Maxime dieser Herren, Geld mit Geld zu paaren, und den Reichen noch reicher zu machen. Wie es aber nun mit der Tante und Deinen sicheren Erwartungen von ihr steht, möchte ich wissen; schreibe mir darüber in Deinem nächsten Briefe doch ein Wort. Hast Du von ihr nur etwa zehn- oder zwölftausend gewiß zu hoffen, so bist Du doch durch eigenes Vermögen gegen jeden Zufall gedeckt, und hast nichts als die Aussicht auf Reichthum verloren, die so gar viel nicht bedeuten will. Mit tausend oder zwölfhundert Thaler Renten kann Deine Minna mit den Kindern ruhig und glücklich leben; denn es giebt in Deutschland noch schöne Gegenden, wo dies ein ansehnliches Vermögen ist. So lange Du lebst, kann Dir eine Einnahme von zwölfhundert bis achtzehnhundert Thalern nicht fehlen. Ich wollte Dir nicht rathen, für jetzt andere Dienste zu suchen. Deine Aussichten in Dresden sind solid für Deine Umstände, und selbst für Deine Neigungen nicht zu verwerfen. Es kostet Dir ein Jahr oder zwei, die Freundschaft der Minister zu cultiviren, so ist Dir eine Verbesserung gewiß. Du gewinnst dabei an Fertigkeit für Geschäfte und an äußerlichem Ansehen, daß Du alsdann, wenn es Dir einfällt, andere Dienste zu suchen, desto mehr für Dich anzuführen hast.

Fünfhundert Thaler dürften an schriftstellerischen Arbeiten schwer zu erwerben sein. Du mußt bedenken, daß Du Amtsgeschäfte hast und von Deinen Erholungsstunden nichts verlieren darfst. Bei schriftstellerischen Arbeiten erholt man sich nicht, das kann ich Dir aus zehnjähriger Erfahrung für gewiß versichern, und bei Lieblingsarbeiten verdient man wenig. Könntest Du Dich indessen entschließen leichter weg zu arbeiten, und das darfst Du ganz gut wagen, so wollte ich Dir eher zu eigenen Arbeiten, als Uebersetzungen rathen. Eine schlechte Uebersetzung ist die schlechteste aller Schlechtigkeiten, und eine gute Übersetzung kostet Zeit. Bei eigenen Arbeiten hat man eine Freiheit, die dem Flusse der Gedanken weit günstiger ist; man arbeitet mit mehr Lust und kann aus sich selbst mehr nehmen. Du darfst bloß schreiben wie Du sprichst und wie etwa Deine Briefe sind, und Du wirst bei einer glücklichen Wahl des Stoffes gewiß Deine Leser befriedigen. Zwanzig bis dreißig Bogen kann die Thalia recht gut von Dir aufnehmen, sobald sie jeden Monat erscheint. Hast Du mehr, als wir zur Thalia verbrauchen können, so bleiben Dir noch andere Journale. Beständest Du auf Uebersetzungen, so könntest Du allenfalls an der Memoires-Sammlung arbeiten; aber im Grunde kann ich Dir dazu nicht rathen. Es geht ungeheuer viel auf einen Bogen, gerade soviel als auf zwei der neuen Thalia, und über fünf Thaler kann Dir Paulus nicht bezahlen, weil er selbst nur sechs für den Bogen erhält, und für seine Arbeit auch etwas haben muß. Findest Du eine andere Speculation ergiebiger, so laß michs wissen. Einen Verleger hoffe ich immer dafür zu finden. Dein Name muß durchaus unbekannt bleiben, auch wenn Du über Materien schriebest, die mit Deinem Amte in der engsten Verbindung stehen, und die Aristokratie aufs Tapferste vertheidigtest; denn von jeder Linie, die Du drucken ließest, würde man glauben, Du habest die Zeit dazu Deinen Geschäften gestohlen. In Summa: es kommt jetzt alles auf eine erste Probe an. Wähle einen guten Stoff und nimm Dir vor, in vier Tagen zwei Bogen zu verfertigen. Schreibe darauf los, bis diese fertig sind, und dann laß uns sehen, was Du geboren hast. Laß Dich ganz gehen, und kritisire nicht zuviel. Gelingts, so weißt Du, daß Du in zwei Tagen einen Bogen schreiben, und also doch immer etwa einen Carolin gewiß verdienen kannst. Geschieht dies auch nur einmal in der Woche, so sind Dir funfzig Carolin des Jahres gewiß. In fünf Jahren läßt Du eine Sammlung drucken, und streichst dann hundert Louisd’or auf einmal ein. Dieser Plan ist zwar bescheiden, aber es fehlt ihm auch nichts zur Ausführung, als bloß von Deiner Seite Entschluß und Beharrlichkeit.

Für heute breche ich ab, um das Paket noch fortzubringen. Hier die versprochenen kleinen Schriften; ich lege noch den Vertot bei, wo Dich die Vorrede vielleicht interessirt, und die Rechtsfälle, welche Minna und Dorchen unterhalten werden. In meinem nächsten Briefe schreibe ich Dir von meinen poetischen Angelegenheiten. Ich bin leidlich wohl; wir alle sind vergnügt, und die dauerhafte Gesundheit meiner Mutter macht mir die Trennung von ihr leichter, die in vier Tagen bevorsteht.

Dies an Dorchen. Dein Bild ist vortrefflich, und die schöne Malerei entzückt alle, die es sehen.

Dein S.