HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 5. Juli 1788

Schiller an Gottfried Körner, 5. Juli 1788

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Volkstädt, 5. Juli [Sonnabend] 1788.

Ich höre schon vierzehn Tage nichts von Dir, und hatte doch auf meinen letzten Brief eine Antwort von Dir zu erwarten. Du wirst doch hoffentlich nicht kränker geworden seyn? In diesem Falle würdest Du mirs, wärs auch nur in ein Paar Worten, haben sagen lassen. Schreibe mir doch ja mit rückgehender Post. Der Himmel weiß, wie viel Zeit unsere Briefe brauchen, bis sie zu uns gelangen. Es ist hier in Rudolstadt keine rechte Post, und alles geht durch Umwege. Deine Briefe erhalte ich immer zu spät. – Von mir kann ich Dir gar wenig schreiben; alles ist wie sonst. Ich arbeite fleißig an dem Plane zum Menschenfeind. Ich gedenke keine Feder mehr zu diesem Stück auszusetzen, bevor ich mit dem Plan in Richtigkeit bin.

Mit dem ersten Theil meiner Geschichte werde ich in zehn Tagen fertig. Er beträgt dreiunddreißig bis vierunddreißig Bogen. Ich fange an diese Arbeit satt zu werden. Die Pause, die ich zwischen dem ersten und zweiten Theil machen werde, ist mir äußerst nöthig. Überhaupt ist es keine Arbeit für die schöne Jahreszeit.

Göthe ist jetzt in Weimar seit vierzehn Tagen; man findet ihn wenig verändert. Wie es weiter mit ihm werden wird, weiß noch niemand. Die Schröder wird nicht ins Carlsbad gehen, wie ich höre; aber den Gemahl der Frau v. Stein wirst Du antreffen, aber gar wenig Dich an ihm erbauen. Er ist ein leeres Geschöpf, ein Kopfhänger dabei, und sein Verstand ist in täglicher Gefahr. Er ist, glaub ich, schon einmal drum gewesen, und wahrscheinlich wird er es wieder.

Ich habe hier Goldonis Leben zu recensiren. Lies es auch, es wird Dich manches darin interessiren.

Meine Existenz ist hier gar angenehm. Hätte ich weniger zu thun, ich könnte glücklich seyn; doch fühle ich meinen Genius wieder, und mein Menschenfeind, glaub ich, wird gut.

Geht denn die Becker auch mit Euch nach dem Carlsbad?

Das Noth- und Hilfsbüchlein ihres Bruders wird stark gelesen; er soll bereits die ganze Auflage zu dreißigtausend Exemplaren abgesetzt haben. Meine Lengefelds hier sind ihm sehr gewogen. Charlotte ist wohl und wird vielleicht auch für einige Tage in meine Gegend kommen. Hier habe ich Bekanntschaft gemacht, aber nichts Interessantes, doch drückt mich die hiesige Menschenart nicht. Die Prinzen sehe ich oft bei Lengefelds; der Erbprinz, der zwanzig Jahre ist, hat viel Gutes und ist sehr bescheiden. Es ist nämlich der Erbprinz des Erbprinzen. Der Fürst ist achtzig Jahre und der Erbprinz bald funfzig. Der letztere regiert. – Das hiesige Land ist so ziemlich gut bestellt, ist fruchtbar und von ziemlichem Umfange. Es wird Weimar wenig nachgeben. Es giebt hier eine Papiermühle und eine stark besetzte Druckerei, die von allen Orten her Arbeit bekommt. Voltaire wird jetzt hier gedruckt werden, und auch englische Schriften, glaub ich. Der Preis ist billiger, weil die Lebensmittel überaus wohlfeil sind. Hier könnte ich um vierhundert Thaler wie in Dresden um 600 Thaler und noch leichter leben.

Der junge Erbprinz hat eine Zeichnung aus dem Geisterseher gemacht, die nicht übel gerathen ist. Er zeichnet für einen Prinzen ganz gut. Seinen Vater soll ich auch kennen lernen; dies aber ist ein Pedant, ein beschränkter Mensch und, ich glaube, auch ein Kopfhänger. Er wird sich also sowenig an mir erbauen, als ich mich an ihm.

Lebe wohl, schreibe mir so bald möglich.

Tausend Grüße an Deine Frau und Dorchen. Laß mich auch hören, was die Familie macht. Adieu.

S.