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Charakterisierung Königin Elisabeth aus Schillers Drama »Maria Stuart«

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(Stimmen: 226 Durchschnitt: 3.5)

Elisabeth hatte als Königin großer Befähigungen. Doch Schiller wendet sich Elisabeth als Mensch und ihrer Gesinnung zu und nicht eigentlich der historischen Elisabeth. Dennoch nutzt Schiller Überliefertes. So weiß man, dass Elisabeth eine Meisterin in der Verstellung war und Intrigen zu spinnen wusste. Der Gegenstand des Stückes verlangt es, dass diese Seite ihres Charakters von Schiller in den Vordergrund gestellt wurde.

Von ihrem eigenen Vater anfänglich verworfen, später aber zu seiner Nachfolgerin bestimmt, hat sie den Thron bestiegen, den ihr auch niemand in ernster Weise streitig gemacht hat. Aber da sie selbst an der absoluten Legitimität ihres Erbes zweifelt, muss sie danach streben, sich ihren Gegnerinnen gegenüber zu behaupten. Durch ein Parlament beschränkt, dessen Aufgabe es ist, den Willen des Volkes zur Geltung zu bringen, fühlt sie sich in ihren absolutistischen Herrschergelüsten gebunden. Dennoch gelingt es ihr, ein Gesetz durchzubringen, dass (I, 7) ausdrücklich auf Maria Stuart gemacht ist. Ein Gericht wird eingesetzt, dem Maria Stuart sich unmöglich unterwerfen kann. Aber diesen Machenschaften sollen im Verborgenen bleiben. Obwohl Elisabeth die Sklaverei des Volksdienstes (IV, 10) innerlich verwünscht und frei auf ihrem Thron stehen möchte, versteht sie es doch, gegen den französischen Gesandten und gegen Maria Stuart gegenüber mit der Liebe ihres Volkes zu prahlen. Sie stellt sich so, als ob sie in Betreff der Unterzeichnung des Urteils nur dem Volkswillen weicht.

Wie in politischer Beziehung handelt Königin Elisabeth auch in den kirchlichen Angelegenheiten. Obwohl dem Katholizismus innerlich nicht abgeneigt, da er dem Absolutismus eine der kräftigsten Stützen gewährt, bemüht sie sich doch, den Protestantismus im Interesse des Staates zu schützen. Wie auch die Geschichte berichtet, tut sie dies mehr aus Politik als aus Überzeugung. Der eigentliche Unterschied der Konfessionen ist für sie von geringer Bedeutung. Aber insofern ein „herrschwüthiger Priester“ (III, 4) ihre königlichen Rechte gefährden kann, ist Elisabeth im Stande, ihren vollen Hass gegen die katholische Kirche auszuschütten. Die Religion ist ihr überhaupt keine Herzensangelegenheit, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Wenn Elisabeth auch im Staatsrat (II, 3) vom Beistand Gottes spricht, der die Könige erleuchtet, kann sie doch unmittelbar darauf (II, 5) den Mortimer loben, dass er so früh der Täuschung schwere Kunst erlernt hat.

Nicht besser sieht es mit ihrer so genannten Jungfräulichkeit aus. Wenn nur die Nachwelt sie als jungfräuliche Königin preist, ist sie schon zufrieden. Ihr Hauptstreben besteht eigentlich darin, unverheiratet zu bleiben. Die mit dem französischen Daphin vollzogene Verlobungsszene ist nur ein Possenspiel. Frankreich soll hierdurch gehindert werden, sich energisch für Maria Stuart einzusetzen. Wozu sollte sie sich auch vermählen, hat sie doch ihren treuen Leicester, der ihr selbst im Staatsrat sagen darf, wie nahe er ihr steht, dem sie (II, 9) klagen kann, dass sie nicht wie Maria Stuart leben dürfe, die sich jegliches erlaubt, und das unmittelbar, nachdem sie (II, 5) Mortimer auf „die engsten zartesten Bande“ Hoffnung gemacht hat.

So sehen wir in Elisabeth eine Königin, die zwar regiert zu haben meint wie ein Mann – der Schiller deshalb auch mit richtigem Takte kein einziges weibliches Wesen an die Seite stellt –, die aber doch nicht frei ist von Gefallsucht und Eitelkeit. Obwohl Elisabeth ihre Schwäche offenkundig zur Schau trägt, will sie doch in ihrem Beisein nichts von weiblicher Schwäche hören. Gleichzeitig ist sie eifersüchtig auf die Schönheit ihrer Gegnerin. Den Shrewsbury  erteilt sie daher einen ernsten Verweis, als er (II, 3) die Schönheit Marias erwähnt. Leicester Schmeicheleien hingegen und Aubespines galante Redensarten kann sie mit Wohlgefallen anhören.

Einem so schwankenden Charakter zu dienen ist eine schwere Aufgabe. Das empfindet Burleigh, indem er (I, 8) von dem „Zweifelmut“ der König spricht. Das bestätigt sich auch, indem sie die Staatsräte (II, 3) vorzieht, die auf ihrer Seite stehen – wie sie Talbot verrät. Launenhaft wie sie ist, ist ihr der Rat charaktervoller Männer unbequem. Elisabeth ist selbst eine Heuchlerin, daher vertraut sie am liebsten Naturen, die ihr ähnlich sind wie Leicester und Mortimer. Von beiden wird sie aber auch von hintergangen. Das ist ihr Schicksal. Und als sie endlich ihre wahren Freunde verbannt und von ihren falschen Freunden verlassen wird, muss sie mit ihrem bösen Gewissen ganz allein stehen. Das ist ihre Strafe.