HomeText: Die RäuberMaterialienSelbstrezension „Die Räuber“ im Wirtembergischen Repertorium

Selbstrezension „Die Räuber“ im Wirtembergischen Repertorium

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Nun das Stück von seiten seiner Moral? – Vielleicht findet der Denker dergleichen darin (besonders wenn er sie mitbringt); Halbdenkern und ästhetischen Maulaffen darf man es kühnlich konfiszieren. Endlich der Verfasser – man frägt doch gern nach dem Künstler, wenn man sein Tableau umwendet – seine Bildung kann schlechterdings nur anschauend gewesen sein; daß er keine Kritik gelesen, vielleicht auch mit keiner zurechtkommt, lehren mich seine Schönheiten und noch mehr seine kolossalischen Fehler. Er soll ein Arzt bei einem wirtembergischen Grenadier-Bataillon sein, und wenn das ist, so macht es dem Scharfsinn seines Landesherrn Ehre: So gewiß ich sein Werk verstehe, so muß er starke Dosen in Emeticis ebenso lieben als in Aestheticis, und ich möchte ihm lieber zehen Pferde als meine Frau zur Kur übergeben.

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ANHANG ÜBER DIE VORSTELLUNG DER RÄUBER

Das Stück ist zu verschiedenen Malen in Mannheim gespielt worden. Ich hoffe meine Leser zu verbinden, wenn ich ihnen einen Brief mitteile, den mir mein Korrespondent, der dem Schauspiel zu Gefallen dahin abgereist war, auf Ansuchen darüber geschrieben hat.

„Worms, den 15. Jenner 1

Vorgestern endlich ging die Vorstellung der Räuber des Hrn. Schillers vor sich. Ich komme soeben von der Reise zurück, und noch warm von dem Eindruck, setze ich mich nieder, Ihnen zu schreiben. Nun erst muß ich erstaunen, welche unübersteiglich scheinende Hindernisse der Hr. Präsident von Dalberg besiegen mußte, um dem Publikum das Stück auftischen zu können. Der Hr. Verfasser hat es freilich für die Bühne umgearbeitet, aber wie? Gewiß auch nur für die, die der tätige Geist Dalbergs beseelt; für alle übrige, die ich wenigstens kenne, bleibt es, nach wie vor, ein unregelmäßiges Stück. Unmöglich wars, bei den fünf Akten zu bleiben; der Vorhang fiel zweimal zwischen den Szenen, damit Maschinisten und Schauspieler Zeit gewännen; man spielte Zwischenakte, und so entstanden sieben Aufzüge. Doch das fiel nicht auf. Alle Personen erschienen neu gekleidet, zwei herrliche Dekorationen waren ganz für das Stück gemacht, Hr. Danzi hatte auch die Zwischenakte neu aufgesetzt, so daß nur die Unkosten der ersten Vorstellung hundert Dukaten betrugen. Das Haus war ungewöhnlich voll, daß eine große Menge abgewiesen wurde. Das Stück spielte ganze vier Stunden, und mich deucht, die Schauspieler hatten sich noch beeilet.

Doch – Sie werden ungeduldig sein, vom Erfolge zu hören. Im ganzen genommen, tat es die vortrefflichste Wirkung. Hr. Boek, als Räuberhauptmann, erfüllte seine Rolle, so weit es dem Schauspieler möglich war, immer auf der Folter des Affekts gespannt zu liegen. In der mitternächtlichen Szene am Turm hör ich ihn noch, neben dem Vater kniend, mit aller pathetischen Sprache den Mond und die Sterne beschwören – Sie müssen wissen, daß der Mond, wie ich noch auf keiner Bühne gesehen, gemächlich über den Theaterhorizont lief und nach Maßgab seines Laufs ein natürliches schröckliches Licht in der Gegend verbreitete. – Schade nur, daß Hr. Boek für seine Rolle nicht Person genug hat. Ich hatte mir den Räuber hager und groß gedacht. Hr. Iffland, der den Franz vorstellte, hat mir (doch entscheidend soll meine Meinung nicht sein) am vorzüglichsten gefallen. Ihnen gesteh ich es, diese Rolle, die gar nicht für die Bühne ist, hatt ich schon für verloren gehalten, und nie bin ich noch so angenehm betrogen worden. Iffland hat sich in den letztern Szenen als Meister gezeigt. Noch hör ich ihn in der ausdrucksvollen Stellung, die der ganzen laut bejahenden Natur entgegenstund, das ruchlose Nein sagen, und dann wiederum, wie von einer unsichtbaren Hand gerührt, ohnmächtig umsinken: ,Ja! Ja! – droben einer über den Sternen!‘ – Sie hätten ihn sollen sehen auf den Knieen liegen und beten, als um ihn schon die Gemächer des Schlosses brannten – Wenn nur Hr. Iffland seine Worte nicht so verschlänge, und sich nicht im Deklamieren so überstürzte! Teutschland wird in diesem jungen Mann noch einen Meister finden. Hr. Beil, der herrliche Kopf, war ganz Schweizer. Hr. Meyer spielte den Hermann unverbesserlich, auch Kosinsky und Spiegelberg wurden seht gut getroffen. Madame Toskani gefiel, mir zum mindesten, ungemein. Ich fürchtete anfangs für diese Rolle, denn sie ist dem Dichter an vielen Orten mißlungen. Toskani spielte durchaus weich und delikat, auch wirklich mit Ausdruck in den tragischen Situationen, nur zuviel Theater-Affektationen und ermüdende weinerlich klagende Monotonie. Der alte Moor konnte unmöglich gelingen, da er schon von Haus aus durch den Dichter verdorben ist.

Wenn ich Ihnen meine Meinung teutsch heraussagen soll – dieses Stück ist dem ohnerachtet kein Theaterstück. Nehme ich das Schießen, Sengen, Brennen, Stechen und dergleichen hinweg, so ist es für die Bühne ermüdend und schwer. Ich hätte den Verfasser dabei gewünscht, er würde viel ausgestrichen haben, oder er müßte sehr eigenliebig und zäh sein. Mir kam es auch vor, es waren zu viele Realitäten hineingedrängt, die den Haupteindruck belasten. Man hätte drei Theaterstücke daraus machen können, und jedes hätte mehr Wirkung getan. Man spricht indes langes und breites davon. Übermäßige Tadler und übermäßige Lober. Wenigstens ist dies die beste Gewähr für den Geist des Verfassers. Bald werden wir es gedruckt haben. Hr. Hofkammerrat Schwan, der zur Aufnahme des Stücks sehr viel beigetragen hatte und ein eifriger Liebhaber davon ist, wird es herausgeben. Ich habe die Ehre zu sein u.s.f.

N.“

* Schriften von H. P. Sturz. In den Denkwürdigkeiten von Rousseau.
** Jedermann kennt den ehrwürdigen Räuber Roque aus dem Don Quixote.
*** Man erzählt von einem Spitzbuben in unsern Gegenden, der mit Gefahr seines Lebens Personen, die er nicht einmal kannte, auf die abscheulichste Weise massakrierte. – Wiederum von einem andern, der, ohne einigen Mangel an Nahrungsmitteln zu haben, die Kinder der Nachbarschaft an sich lockte und verzehrte.

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