2. Aufzug / 2. Akt
In der ersten Szene befinden wir uns noch wie am Schluss des ersten Aktes in Uri, aber am Edelhof des Feldherrn von Attinghausen, wo sogleich die Kollision beginnt. In dem Freiherrn und seinem Neffen sehen wir den Gegensatz von Alter und Jugend, der die Differenz der in dem Adel herrschenden politischen Anschauungen verkörpert. Die eindringlichen Ermahnungen des konservativ gesinnten Alters vermögen nichts über den Abtrünnigen, zudem durch die Liebe verblendeten Jüngling. Wir sehen beide in Unwillen voneinander scheiden.
Von ganz anderem Charakter dagegen ist die zweite, die Rütli-Szene, die uns schon durch ihren landschaftlichen Charakter das Bild einer vollendeten Harmonie gewährt. Der ruhige Spiegel des Sees, die freundliche, Mond erhellte Nacht, der Frieden verkündende Regenbogen, sie bereiten uns auf eine leidenschaftslose Szene vor. Wir erwarten, dass Festigkeit und Treue das Band erneuern werden. Dass die Unterwaldner zuerst erscheinen, wundert uns nicht, denn der junge, rüstige Melchthal führt sie an. Bald kommt auch Stauffacher mit den Schwyzer Männern über den See gefahren, während der betagte Walther Fürst mit den Ordnern, die um des Landvogts Kundschafter wegen einen weiten Umweg zu machen haben, als die letzten eintreffen.
Sogleich beginnt die Beratung, durch Walther Fürst eröffnet. Es ist eine Tagessatzung nach altem Brauch, die fern von jedem revolutionären Freiheitstaumel sich auf den festen Boden geschichtlichen Rechtes bewegt und in einem sicheren parlamentarischen Takt geführt wird. Die Masse des Volkes zeigt, dass ein einziger Wille alle durchglüht. Die Förmlichkeiten werden mit althergebrachter Feierlichkeit erfüllt. Aus Stauffachers Mitteilungen über die Urgeschichte der Schweiz erfahren wir, dass alle eines Stammes sind, dass sie nie einem Fürsten Untertan gewesen waren, sondern sich selbst regiert und freiwillig den Schutz der Kaiser erwählt haben. „Keine Ergebung an Oestreich“ ist daher das erste Landesgesetz, dass in der Versammlung gegeben wird. Nun fragt es sich, wie es mit der Bestätigung der alten Freiheitsbriefe steht. Diese ist vom Kaiser versagt worden, Selbsthilfe ist also nötig. Die Vögte mit ihren Knechten zu verjagen, die festen Schlösser zu zerstören und somit die alte Freiheit wiederherzustellen, das sind die Resultate des Beschlusses, der an dem Christfest zur Aufführung kommen soll, also an einem Tage, der allen heilig ist wie ihre Sache.
Das ein Pfarrer das Bündnis durch seine Teilnahme unterstützt, gibt der Verhandlung eine gewisse Weihe, umso mehr als wir ihn von dem Bewusstsein erfüllt sehen, er habe im Rahmen Gottes zu reden und zu handeln. In seinem Namen lässt er daher auch den Eid schwören, der alle zu einmütigem Handeln verpflichtet.
Eine Lücke freilich hat die Beratung offen gelassen: Wie man dem starren, reichlich mit bewaffneten Scharen umgebenen Gessler beikommen werde, ist unerledigt geblieben. Reding‘s Worte indes: „Man muss dem Augenblick auch was vertrauen“ deuten an, dass wir ein außerordentliches Ereignis zu erwarten haben. Somit schließt die Szene, voll dramatischen Lebens, mit einer hoffnungsvollen Aussicht, während die wohltuende innere Stimmung durch den Blick auf die im ersten Sonnenstrahl errötenden Eisgipfel und durch die prachtvollen Klänge des plötzlich einsetzenden Orchesters in der wirksamsten Weise erhöht wird.
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