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Wilhelm Tell – Erläuterung der Handlung nach Akten und Szenen

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3. Aufzug / 3. Akt

Friedrich Schiller "Wilhelm Tell" 3. Akt 1. Szene: Wilhelm Tell und sein Sohn verabschieden sich von Hedwig, die böse Vorahnungen hat.

Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ 3. Akt 1. Szene: Wilhelm Tell und sein Sohn verabschieden sich von Hedwig, die böse Vorahnungen hat.

Hier, wo wir die Katastrophe zu erwarten haben, tritt das Landschaftliche bei der Szenerie in den Hintergrund, wogegen es in den Gesprächen Tells mit seiner Gattin und seinem Sohn Walter gebührend berücksichtigt ist. Die erste Szene führt uns nach Bürglen, wo wir Tell im Familienkreis kennenlernen. Nicht ohne Rührung hören wir den ältesten seiner beiden Söhne beim Beginn des Aktes, in welchem Pfeil und Bogen einen so Bedeutung schwere Rolle für ihn spielen sollen, ein Loblied auf das edle Waidwerk anstimmen, ein Lied, in dem der ganze Charakter des Vaters sich widerspiegelt. Der zerrissene Strang liefert den Anlass zur Unterhaltung zwischen Tell und seiner Frau. Es ist ein mit sanften Worten geführter Streit, denn wie könnten die beiden so verschieden angelegten Charaktere im Betreff der Kindererziehung völlig übereinstimmen. Dazu kommt Hedwig ahnungsvolle Stimmung in einem Augenblick, wo ihr Gatte sie verlassen will. Wir fühlen es mit ihr, ein schweres Verhängnis droht über den glücklichen Familienkreis hereinzubrechen. Die an ihren jüngsten Sohn gerichteten Worte: „Ja, du bist mein liebes Kind; du bleibst mir noch allein“ – sie deuten prophetisch an, was die nächste Zukunft ihr bringen wird.

Friedrich Schiller "Wilhelm Tell" 3. Akt 2. Szene: Berta von Bruneck erinnert Ulrich von Rudenz an seine Pflicht gegenüber seinem Volk.

Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ 3. Akt 2. Szene: Berta von Bruneck erinnert Ulrich von Rudenz an seine Pflicht gegenüber seinem Volk.

Dem Streit zwischen zwei Eheleuten, die sich innig lieben, folgt in der zweiten Szene ein Konzept zwischen zwei jugendlichen Herzen, die nicht voneinander lassen können. Berta und Rudenz haben sich vom Jagdgefolge getrennt, um sich miteinander auszusprechen. Vor allem aber will Berta ihren Jüngling zu seiner Pflicht zurückführen, denn bald wird das Vaterland seiner bedürfen. Schon der nächste Augenblick wird über sein weiteres Verhalten entscheiden.

Beide Auftritte haben uns auf die dritte Szene, den Kulminationspunkt des ganzen Stückes, vorbereitet. Wir finden einen Platz, auf dem die Stange mit dem Hute paradiert. Die Kriegsknechte, welche bei derselben Wache halten, sind nicht eines Sinnes. Der eine sehnt sich nach einem Fang, der andere fühlt das Unwürdige der ihm auferlegten Pflicht. Da kommt Tell mit seinem Knaben. Es ist das einzige Mal, wo Schiller ein Kind auf der Bühne eine Rolle spielen lässt, aber die Naivität des Knaben, wie die pädagogisch vernünftige Belehrung des Vaters machen einen Eindruck, als ob der Dichter in solcher Art des Dialogs ein erfahrener Meister sei. Wir bedauern nur, dass die Kriegsknechte nicht aufmerksam zugehört, dass ein Gessler nicht zugegen gewesen, um unsere Rührung zu teilen. Der unmittelbar folgende Auftritt wäre eine Unmöglichkeit gewesen. So aber bildet er einen schneidenden Kontrast zu der Stimmung, mit der wir ihm entgegen gehen.

Dass Tell nach dem eben geführten Gespräch für einen leeren Hut keinerlei Bereitschaft zur Ehrerbietung hat, finden wir ebenso natürlich wie wir Frießhardt‘s Rufe „Meuterei und Empörung“ nichtswürdig und abscheulich finden. Da kommt der Landvogt selbst, die schändliche Anklage wird erhoben und die unerhörteste Grausamkeit, die je ein Mensch ersonnen hat, bereitet sich vor unseren Augen aus. Wenn es ein Dichter jemals verstanden hat, durch eine spannende Handlung unser Herz mit Furcht und Mitleid zu erfüllen, so ist es Schiller in dieser Szene in einer Weise gelungen, die ihresgleichen sucht.

Friedrich Schiller "Wilhelm Tell" 3. Akt 3. Szene: Während der Tyrann Gessler nicht von seiner Forderung abzubringen ist, schließt Wilhelm Tell auf den Apfel. Sein Sohn ermutigt ihn zu dem Schuss.

Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ 3. Akt 3. Szene: Während der Tyrann Gessler nicht von seiner Forderung abzubringen ist, schließt Wilhelm Tell auf den Apfel. Sein Sohn ermutigt ihn zu dem Schuss.

Die bescheidene Unterwürfigkeit, mit welcher Tell seinen Peiniger um Verzeihung bittet, seine nach und nach sich steigernde Angst, endlich der verzweifelte Entschluss, mit dem er zu dem zweiten Pfeil greift. Dabei die rührende und vertrauensvolle Unbefangenheit des Kindes, und dann, den Fürbitten Berthas, Walter Fürsts und Rösselmanns gegenüber die unerschütterliche Hartherzigkeit des Vogts – das alles erhält uns wie auf der Folter bis wir endlich bei des Ritters Rudenz energischen Auftreten wieder aufatmen. Dies letzte erspart uns auch die fürchterliche Zumutung, Augenzeugen des führenden Auftritts zu sein. Denn in dem Augenblick, wo sein Unwille den höchsten Gipfel erreicht, wo wir mit der gespanntesten Aufmerksamkeit seinen Worten folgen, ist auch der Apfel gefallen, zu aller Verwunderung wie zu unserer eigenen.

Friedrich Schiller "Wilhelm Tell" 3. Akt 3. Szene: Gessler hält sich nicht an sein Versprechen und lässt Wilhelm Tell gefangen nehmen.

Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ 3. Akt 3. Szene: Gessler hält sich nicht an sein Versprechen und lässt Wilhelm Tell gefangennehmen.

Nun fühlt unser Herz sich frei, denn der furchtbare Knoten ist gelöst. Aber Gessler weiß einen neuen zu schnüren, der zerschlagen werden muss. Mit der Frage nach dem zweiten Pfeil verrät er den Tell sein böses Trachten. Kein Wunder, dass nun die Spitze sich umkehrt, der Zorn schwer gereizten Vatergefühls gegen ihn sich wendet. Dass Gessler jetzt sein eigenes Leben zu sichern sucht, den Tell gefangen mit sich fortführt, ist ebenso erklärlich, wie es verabscheuungswürdig ist. Innerlich drängt uns, mit rettender Hand einzugreifen. Doch wir dürfen ja nur Zuschauer sein. Auch werden wir durch Tells zuversichtliches Wort „Mir wird Gott helfen“ darauf hingewiesen, dass der Himmel den Arm des Rächers schon waffnen werde.

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