HomeText: Wilhelm Tell3. AktWilhelm Tell – Text: 3. Aufzug, 3. Szene

Wilhelm Tell – Text: 3. Aufzug, 3. Szene

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Tell:
Herr – Welches Ungeheure sinnet Ihr
Mir an – Ich soll vom Haupte meines Kindes –
– Nein, nein doch, lieber Herr, das kömmt Euch nicht
Zu Sinn – Verhüt’s der gnäd’ge Gott – das könnt ihr
Im Ernst von einem Vater nicht begehren!

Gessler:
Du wirst den Apfel schiessen von dem Kopf
Des Knaben – Ich begehr’s und will’s.

Tell:
Ich soll
Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
Des eignen Kindes zielen – Eher sterb‘ ich!

Gessler:
Du schiesst oder stirbst mit deinem Knaben.

Tell:
Ich soll der Mörder werden meines Kinds!
Herr, Ihr habt keine Kinder – wisset nicht,
Was sich bewegt in eines Vaters Herzen.

Gessler:
Ei Tell, du bist ja plötzlich so besonnen!
Man sagte mir, dass du ein Träumer seist,
Und dich entfernst von andrer Menschen Weise.
Du liebst das Seltsame – Drum hab ich jetzt
Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.
Ein andrer wohl bedächte sich – Du drückst
Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.

Berta:
Scherzt nicht, o Herr! mit diesen armen Leuten!
Ihr seht sie bleich und zitternd stehn – So wenig
Sind sie Kurzweils gewohnt aus Eurem Munde.

Gessler:
Wer sagt Euch, dass ich scherze?

Greift nach einem Baumzweige, der über ihn herhängt.

Hier ist der Apfel.
Man mache Raum – Er nehme seine Weite,
Wie’s Brauch ist – Achtzig Schritte geb ich ihm –
Nicht weniger, noch mehr – Er rühmte sich,
Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen –
Jetzt Schütze triff, und fehle nicht das Ziel!

Rudolf der Harras:
Gott, das wird ernsthaft – Falle nieder Knabe,
Es gilt, und fleh den Landvogt um dein Leben.

Walther Fürst beiseite zu Melchtal, der kaum seine Ungeduld bezwingt:
Haltet an Euch, ich fleh Euch drum, bleibt ruhig.

Berta zum Landvogt:
Lasst es genug sein Herr! Unmenschlich ist’s,
Mit eines Vaters Angst also zu spielen.
Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben
Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!
Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.
Entlasst ihn ungekränkt in seine Hütte,
Er hat Euch kennen lernen, dieser Stunde
Wird er und seine Kindeskinder denken.

Gessler:
Öffnet die Gasse – Frisch! Was zauderst du?
Dein Leben ist verwirkt, ich kann dich töten,
Und sieh, ich lege gnädig dein Geschick
In deine eigne kunstgeübte Hand.
Der kann nicht klagen über harten Spruch,
Den man zum Meister seines Schicksals macht.
Du rühmst dich deines sichern Blicks! Wohlan!
Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen,
Das Ziel ist würdig und der Preis ist gross!
Das Schwarze treffen in der Scheibe, das
Kann auch ein andrer, der ist mir der Meister,
Der seiner Kunst gewiss ist überall,
Dem’s Herz nicht in die Hand tritt noch ins Auge.

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