Mit der Bewachung von Maria Stuart ist der Ritter Paulet beauftragt. Paulet ist ein Mann von scharfer Aufmerksamkeit und sorgfältiger Wachsamkeit, der seine Pflicht streng gewissenhaft erfüllt. Die königliche Gefangene beklagt sich nicht mit Unrecht über seine Härte. Allerdings hat er die schwere Aufgabe, eine Listige zu schützen. Er überschreitet dabei sein Amt insofern, als er sich aus einem Hüter zu einem Erzieher seiner Gefangenen macht. Nicht nur, dass er ihre Fragen höchst kurz und einsilbig beantwortet. Auch macht er ihr Vorwürfe, zu denen er eigentlich gar nicht berechtigt ist.
Paulet ist Protestant und zwar ein Puritaner. Es ärgert ihn, dass Maria Stuart mit der Absicht umgegangen sei, England katholisch zu machen. Paulet geht in seinem Eifer sogar soweit, sich Maria Stuart als eine Art Seelsorger aufzudrängen, der sie zu seiner Konfession herüberziehen möchte. Sonst aber ist er gerecht, sodass Maria selber ihm das Zeugnis gibt: „Ich hab euch stets als Biedermann [Ehrenmann ] gefunden“.
Paulet ist auch ein guter Patriot, denn es freut ihn, dass Mortimer sein treu altenglisches Herz zurückbringt. Deshalb gibt er ihm väterliche Ermahnungen, damit er durch die Hoflust nicht verdorben wird. Aber eben weil ihm Englands Ehre heilig ist, fürchtet Paulet auch die gehässigen Gerüchte über den Hochverratsprozess, mit dessen Führung er sich nicht völlig einverstanden erklären kann. Wie sehr er recht hat, beweist Burleighs Mordantrag. Dies ist eine Zumutung für ihn, die ihn innerlich empört, und die er um des Gewissens willen entschieden zurückweist. So ist Paulet, obwohl von peinlicher Treue in seinem Dienst bestimmt, doch eigentlich ein freier Mann und neben Shrewsbury ein würdiger Vertreter des Rechts. Wie er es (I, 8) verlangt, so geschieht es. Mit reinem Gewissen wohnt er der Hinrichtung seiner Gefangenen bei, die ihm wegen des Todes seines Neffen ihr aufrichtiges Beileid gezeigt hat. Als letzten Dienst hat er Maria Stuart die Gunst erwirkt, ihre treue Hanna Kennedy Augenzeugin ihres Todes sein zu lassen.
