HomeCharakterisierungMaria StuartCharakterisierung der Marias Stuart aus Schillers gleichnamigen Drama »Maria Stuart«

Charakterisierung der Marias Stuart aus Schillers gleichnamigen Drama »Maria Stuart«

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(Stimmen: 163 Durchschnitt: 3.6)

Maria Stuart ist die Titel-Heldin des Stückes. Da sie ihren Gatten hat ermorden lassen, eine Tat, zu der sie sich (V, 7) selbst bekennt, hat sie das Recht der Könige verwirkt. Dies umso mehr, als Darnley – ihr Gatte – mit ihr regierender König war, also lastet das doppelte Verbrechen eines Gatten- und Königsmordes auf ihr. Das schottische Volk hat sie dafür zunächst mit Entthronung bestraft, der verdienten Todesstrafe aber hat sie sich durch die Flucht entzogen. Als Flüchtige und zugleich als Gefangene der englischen Königin lernen wir sie im Kerker von Fortheringhay kennen.

Schiller lässt sie in noch jugendlicher Schönheit erscheinen, Liebe erwecken und Liebe begehren, so dass selbst der alte Shrewsbury ihr ein lebhaftes Interesse zuwendet und Paulet ihr (I, 3) dreist sagen darf, an Mortimer werde ihre Kunst verloren sein. Gleichzeitig erfahren wir (III, 2) von ihm, dass sie ihn durch ihre „geschwinde Zunge“ wohl häufig unangenehm belästigt hat. Und wir sehen Maria in frischer Lebhaftigkeit sich (I, 6) für die Pracht des katholischen Gottesdienstes und (III, 1) für die Schönheiten der Natur interessieren. So ist ihre jugendliche Kraft noch nicht gebrochen.

Dabei muss Maria Stuart beklagen, wie schändlich man sie behandelt. Paulets Benehmen gegen sie hinlänglich bestätigt dies hinlänglich. Hat man ihr sogar einen Priester ihre Kirche versagt und es nicht an Bekehrungsversuchen fehlen lassen. Sie muss in steter Furcht leben, es könne ein Versuch gemacht werden, sie heimlich aus dem Weg zu räumen. So ist sie allerdings gebeugt, aber keineswegs geknickt. Das Bewusstsein ihrer königlichen Würde ist ihr geblieben.

Da sie nur noch eine Vergangenheit hat, lebt sie vorzugsweise in dieser. Tage grauenvoller Erinnerung, wie den Tod ihres Gatten Darnley, feiert sie (I, 4) mit Buße und Fasten. Sie ist auch gern bereit, für ihre damaligen Verdrehungen zu leiden, so dass sie selbst die Ankündigung ihres Todes mit edler Fassung vernimmt. Aber gute und schlechte Eigenschaften sind in ihr gemischt. Aus ihrer leidenschaftlichen Erregbarkeit und ihrem unbesonnene Handeln sehen wir, dass sie eigentlich ein Kind des Augenblicks ist und wie in früheren Jahren ein schneller Wechsel der Stimmungen bei ihr möglich ist. So erscheint sie (I, 2) mit dem Kruzifix, während sie den Liebesbrief an Leicester (I, 6) bereits im Busen trägt. So kann sie rasch nach ruhiger Resignation zu freudigen Lebenshoffnungen übergehen. Aber in allen Leidensproben bewährt sie sich als Königin, die sich einer schmachvollen Behandlung nicht ohne weiteres unterwirft und ihre Würde nicht verliert.

Selbst ihrer Gegnerin Königin Elisabeth gegenüber kann sie sich nicht erniedrigen. Sie tritt, nachdem sie sich vergeblich gedemütigt hat, mit der triumphierenden Hoheit ihres Selbstgefühls auf. Das Letztere darf sie guten Gewissens tun, denn an einem Mordplan gegen Elisabeth ist sie unschuldig. Aber für die längst gebüßte Blutschuld früherer Jahre ist sie bereit, die Strafe zu erleiden, die man über sie verhängt.

Obwohl sie für das an Darnley begangene Verbrechen die Absolution schon längst empfangen hat, fühlte Maria Stuart sich deshalb doch nicht frei von Schuld. Sie erkennt vielmehr in ihrem harten Schicksal einen Akt der göttlichen Gerechtigkeit an und erwirbt sich dadurch unsere Teilnahme und unser Mitleiden. Auf diese Weise innerlich geläutert, stirbt sie als eine unrechtmäßig verurteilte Königin in königlichem Schmuck, als eine ihren Feinden verzeihende, mit ihrem Gott versöhnte Christin. Somit hat sich Maria Stuart schließlich zu einem Charakter entwickelt, der uns mit voller Hochachtung erfüllt.