Weimar den 19. November [Mittwoch] 1800.
Ihren werthen Brief vom 8. nebst andern von Hrn. Jacobi 36 Stück Dukaten enthaltend, habe ich den Tag nach Abgang meines letzten an Sie erhalten und sage Ihnen den verbindlichsten Dank dafür. Sie sind sehr gütig, sich wegen spätern Absendens dieser Summe zu entschuldigen. Sie kommt mir gerade jetzt am geschicktesten, um die vorhabenden Neujahrsfestlichkeiten lustig mitzumachen.
Wie erfreute mich Ihr Wunsch nach einem neuen Stück von mir, und nach einer Hauptrolle in demselben! Was könnte ich selbst mehr wünschen, als Ihrer Kunst das ganze Glück eines Schauspiels anzuvertrauen! Ich habe Ihnen leider in meinen neuern Stücken mehr Opfer zugemuthet, als einen würdigen Spielraum aufgethan; dieß ist ein Werk des Zufalls, der über die Wahl des Sujets gewöhnlich waltet. Auch in dem Stück, das ich jetzt unter der Feder habe, ist keine einzige Männerrolle bedeutend genug, um Ihren Wunsch erfüllen zu können; indem sich, eine einzige weibliche Rolle ausgenommen, das Interesse unter mehrere Nebenfiguren vertheilt.
Sobald ich aber mit diesem Schauspiel fertig bin (welches mich aber wohl noch vier Monate kosten könnte, da ich erst seit dem September daran gegangen), so wird mein Erstes seyn, ein längst entworfenes Trauerspiel auszuführen, dessen Handlung auf einer einzigen männlichen Figur beruht, und diese möchte dann vielleicht der Charakter seyn, den Sie darzustellen wünschen. Es ist nämlich der Charakter eines Hausvaters im heroischen Sinn; der Großmeister des Maltheserordens unter seinen Rittern, in einer Handlung vorgestellt, wo der Orden durch eine furchtbare Belagerung von außen und durch eine Empörung von innen an den Rand des Untergangs geführt, und durch die Klugheit, Zartheit und Seelenstärke des Großmeisters La Valette erhalten und siegreich gemacht wird. Der Fond dieses Charakters ist eine liberale Güte, mit hoher Energie und edler Würde verbunden. Der Großmeister steht in seinem Orden da, wie ein Hausvater in seiner Familie, zugleich aber auch wie ein König in seinem Staat, und wie ein Feldherr unter seinen Rittern.
Mit Ende des nächsten Sommers hoffe ich Ihnen diese gerechte Schuld gewiß abtragen zu können.
Wie schön wäre es aber, wenn Ihre Verhältnisse zu Berlin es Ihnen erlaubten, uns bei der Jahrhundertsfeier zu besuchen, wo Sie Sich vielleicht entschlößen, den Wallenstein zu spielen. Ja, wenn es nur irgend möglich, so erfüllen Sie uns diesen Wunsch.
Daß Sie in der Maria sich den Melvil zugetheilt, macht mir für den fünften Akt dieses Stücks die schönste Hoffnung, und ich erkenne es zugleich für einen der wesentlichsten Dienste, die Sie meinem Stücke leisten konnten. Denn nur das Ansehen und die einfache Würde des Schauspielers, der den Melvil darstellt, kann die gewagte Beichtscene entschuldigen und das Anstößige entfernen.
Was ich Ihnen von dem Schauspiele, die Maltheser, schrieb, bitte ich nicht weiter zu sagen, und mir zu verzeihen, wenn ich Ihnen den Gegenstand meines jetzt unter Händen habenden Stücks noch verschweige. Wenn es auch nur eine leere Einbildung ist, so habe ich doch gefunden, daß ich mit lebhafterm Interesse arbeite, wenn niemand das Geheimniß weiß, und es ist mir geglückt, dieses bei meiner jetzigen Arbeit zu beobachten. Sobald aber der letzte Strich daran geschehen, erhalten Sie das Stück und das Geheimniß.
Mortimer braucht nicht älter als 21 oder 22 Jahre zu seyn. Ich habe, um das Stück für die Vorstellung zu verkürzen, verschiedenes weggelassen; unter diesem ist eine bedeutende Rede Burleighs, am Schluß der Scene; die dem Monolog der Elisabeth vorhergeht. Diese Stelle ist in das hiesige Theatermanuscript wieder aufgenommen worden, und von großem Effekt gewesen. Wahrscheinlich fehlt sie auch in dem Ihnen gesendeten Exemplar und ich lege sie darum hier bei. Burleigh hat hier unter den Männerrollen das meiste Glück gemacht, weil er durch unsern verständigsten Schauspieler Hr. Becker gegeben wurde, der auch im Questenberg sich auszeichnete.
Leben Sie recht wohl, und seien meiner aufrichtigsten Freundschaft versichert.
Schiller.