HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Charlotte Schiller, 30. Mai 1800

Schiller an Charlotte Schiller, 30. Mai 1800

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Ettersburg 30. Mai [Freitag] 1800.

Ich danke der Maus für ihre zwei Patschbriefe, wie die chère mère zu sagen pflegt; sie haben mich sehr gefreut, und auch was du mir von Herders Buch schreibst, hat mich interessiert, ob ich gleich gar nicht damit übereinstimmen kann. Uebrigens kenne ich das Herdersche Buch noch wenig und weiß nur aus dem Wenigen, was ich darin las, daß ihm der Begriff der Sache ganz fehlt und daß er bloß darüber gesalbadert, worüber mündlich einmal mehr.

Ich freute mich, noch so leidlich gute Nachrichten von der Mama aus Leonberg zu erhalten. Ihr Bedürfniß nach Umgang und ihr Ennui bei Louisen und Franken macht sie mir ordentlich werther, und ich wünschte sehr, sie in eine Societät gebracht zu sehen, die ihr angenehm wäre. In Stuttgart, fürchte ich, wird sies bald zu theuer finden.

Daß dich die widerwärtige Ebertin so heimgesucht hat, ist sehr fatal, du mußt sie dir, wenn es nicht anders geht, durch Grobheiten vom Halse schaffen. Ein Besuch von den Berlinern würde mir nicht angenehm seyn, es kommt nichts dabei heraus und man verliert nur die Zeit. Gestern habe ich Schauspieler hier gehabt, Vohs und seine Frau, Beckern und Hayden. Es ist aber nicht viel geschehen, die Zeit ist verschwazt worden anstatt zu probieren. Ich bin seit meiner Zurückkunft nach Ettersburg noch nicht recht wieder ins Geschäft gekommen; die Einsamkeit, scheint es, macht es allein noch nicht aus, ich habe zu Hause oft mich weit mehr sammeln können. Länger als fünf oder sechs Tage denke ich nicht mehr hier zu verweilen und freue mich wieder bei dir zu seyn und die lieben Kinder zu sehen. Grüße sie herzlich und befinde dich nur immer fort so wohl. Mir ist es hier auch ziemlich wohl gewesen, und geschlafen habe ich immer ordentlich.

Adieu liebes Herz.

S.