HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte, 27. Juli 1790

Schiller an Lotte, 27. Juli 1790

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Dienstag Abend 1

Was wird die liebe kleine Frau jetzt machen? Ich kann es mir noch immer nicht recht glauben daß sie fort ist, und suche sie in jedem Zimmer. Aber alles ist leer, und ich finde sie nur in den Sachen, die sie mir zurückgelaßen hat. Was ich von ihr sehe, alles was mich an sie erinnert, gibt mir unbeschreiblich viel Freude. Seid ihr vergnügt zusammen meine lieben? Ist meine Line wohl? Und –

Bertuch war heute bey mir, und kündigt mir an, daß er aufs Vogelschießen mit seiner Frau und Krausen in Rudolstadt einen Besuch abstatten wird. Er sagt, daß Goethe nach Schlesien abgereißt sey. Sagt Beulwitz, daß in wenig Tagen die Nachricht da seyn wird: es sey Friede. Der Herzog von W. hats geschrieben. Der König von Ungarn wird alles zurückgeben, was er von den Türcken erobert hat.

Ich war heute spazieren, und habe mich des vorigen Sommers erinnert. Die Empfindungen waren mir gegenwärtig, womit sich heute vor einem Jahr mein Herz getragen hat. Es war vor unsrer Zusammenkunft in Lauchstädt. Meine ganze Seele fand ich wieder in dem ähnlichen Anblick der Natur. Wie voll Hoffnung flog ich zu euch, und wieviel Seligkeit im Herzen, kam ich zurück.

Ich hab es Bertuch auf die Seele gebunden daß er uns Lips hieher schickt. Lips hat jetzt sehr viel Arbeit. Er soll einen Kopf zu dem 3ten Band der Memoires machen, den Saladin oder Richard coeur de Lion. Sei doch so gut Line und erkundige Dich, ob sich in der Rudolstädter Bibliothek kein Kupfer von einem dieser beiden findet.

Wird mir die kleine Frau übermorgen die Familie schicken? Ich sehne mich nach Nachricht von euch. Morgen werde ich wohl noch lesen, da ich schwerlich etwas werde arbeiten können. Der Himmel, sehe ich läßt keinen Scherz mit sich treiben. Ich habe soviel davon gesprochen daß ich krank seyn wolle und ich bins wirklich, aber ohne Folgen. Ich habe heute einen geschwollenen Backen und Zahnschmerzen gespürt und diesen Abend wurde das Zahnweh auf einmal so stark, daß es mich aus dem schlafe weckte, und ich die bewegliche Magd herauspochen mußte, mir Licht zu schlagen. Es ist Nachts um 2 Uhr daß ich diesen Brief schließe, und seitdem ich schreibe ist mir viel besser. Heute mußte ich den Brief noch schließen, wenn Du ihn morgen haben sollst, denn ich werde wohl vor 9 nicht erwachen. Ich umarme euch herzlich Ihr liebsten. Lebt wohl – Uebermorgen mehr. Lebt recht wohl.

  1. Juli 1790.