[Rudolstadt, 10. Nov. Montag 1788.]
Dank Ihnen beiden, daß Sie einen freundlichen Antheil an meinem Geburtstage nehmen. Mir wird er immer vor vielen andern merkwürdig seyn, weil Ihre Freundschaft in diesem Jahre für mich aufblühte. Ich hoffe, er ist auch nicht der lezte, den ich unter Ihnen erlebe, und der mir durch Ihre liebevolle Theilnahme interessant wird. Ich denke mit Verwunderung nach, was in Einem Jahre doch alles geschehen kann. Heute vor einem Jahre waren Sie für mich so gut als gar nicht in der Welt – und jezt sollte es mir schwer werden, mir die Welt ohne Sie zu denken. Denken auch Sie immer wie heute! So ist unsre Freundschaft unzerstörbar, wie unser Wesen!
Daß ich mich in meiner Vermutung nicht betrogen habe, das gestrige Gedicht würde Sie interessieren, freut mich ungemein – es beweist mir, daß Ihre Seele Empfindungen und Vorstellungsarten zugänglich und offen ist, die aus dem innersten meines Wesens gegriffen sind. Diß ist eine starke Gewährleistung unsrer wechselseitigen Harmonie – und jede Erfahrung die ich über diesen Punkt mache ist mir heilig und werth.
Ich wollte wohl auch, daß Sie mir diesen Tag mehr angehörten, als die Umstände es erlauben. Gegen 5 Uhr komme ich gewiß – möchten wir alsdann nur nicht gestört werden. Adieu!