HomeBriefeAn Charlotte v. LengefeldSchiller an Lotte von Lengefeld, November 1788

Schiller an Lotte von Lengefeld, November 1788

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[Rudolstadt, November 1788.]

Wüßte ich nur etwas, womit ich Sie eben so schön an mich erinnern könnte, als Ihre schöne Zeichnung Ihr Bild bei mir lebendig halten wird. Diß bedarf zwar keiner äußerlichen Hilfe; aber alles Gute und Schöne, wie Sie schon aus dem lieben Evangelium wißen, hat wie die Sacramente eine unsichtbare Wirkung und ein sichtbares Zeichen.

Die Zeichnung wird meinem Schreibtisch gegenüber stehen, manchen stillen Abend von mir betrachtet werden, und mir das Bild derer zurückrufen, die mir hier so freundlich und wohlthätig vorüber geeilt sind. Noch einmal haben sie recht schönen Dank dafür! Es gibt mir eine gar angenehme Empfindung, zu wißen, daß Sie Sich mit etwas beschäftigt haben, das mir Vergnügen machen würde.

Jezt, da es sich dem Ziele nähert, mache ich mir Vorwürfe, daß ich nicht beßer mit den Augenblicken hausgehalten habe, die ich bei Ihnen zubringen konnte. Oft meyne ich, Ihnen viel, gar viel, gesagt zu haben, und doch finde ich zu andern Zeiten, daß ich noch weit mehr hätte sagen können und sagen wollen. Wenn indeßen nur der gelegte Grund fest und massiv ist, so wird die liebe wohlthätige Zeit noch alles zur Reife bringen. Ich weiß und fühle, daß mein Andenken hier unter Ihnen leben wird, und diß ist eine freudige Erinnerung für mich. Leben Sie recht wohl.

Ich sehe Sie wohl heute Abend nach Tische noch?

Schiller.