HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 12. Dezember 1788

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 12. Dezember 1788

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Freitag morgens. [den 12. Dec. 1788.]

Haben Sie recht schönen Dank für Ihre lieben Briefe, und mein herzliches Mitleiden mit Ihnen wegen der traurigen Kälte. Das ist eigentlich die rechte Zeit für die Mathematik! Es ist doch schlimm, da Sie so wenig für unser nordisches Clima organisirt sind, daß Sie dem wärmeren Himmel nicht näher wohnen. Ein schöner Theil Ihrer Existenz geht dadurch für Sie verloren. Der Himmel muß um Sie herum lachen und die Sonne wärmen, wenn Ihre Seele sich entfalten soll, wenn Sie glücklich seyn sollen.

Mein Brief wird Ihnen sagen dass ich Moriz gesprochen habe; beurtheilen Sie ihn aber nicht gleich nach meiner ersten Schilderung. Wir waren doch nur einige Stunden bei einander, und es begegnet mir gerne, dass ich zu rasch urtheile. Erwarten Sie also erst mehreres von mir über ihn. Ich denke ihn heute zu sehen.

Ueber ein LieblingsThema von mir, davon auch im Julius Spuren enthalten sind, über das Leben in der Gattung, das Auflösen seiner selbst im großen Ganzen, und die daraus unmittelbar folgenden Resultate über Freude und Schmerz, über Tugend und Liebe, über den Tod hat er außerordentlich klare und erwärmende Begriffe.

[W]egen seinem Magazin zur Erfahrungs-Seelenkunde habe ich ihm einen Rath gegeben, den Sie vielleicht auch unterschreiben werden. Ich fand, daß man es immer mit einer traurigen, oft wiedrigen Empfindung weglegt, und dieses darum, weil es uns nur an Gruppen des menschlichen Elends heftet. Ich hab ihm gerathen, jedes Heft mit einem philosophischen Aufsatze zu begleiten, der lichtere Blicke öfnet, und diese Dißonanzen gleichsam wieder in Harmonie auflöst. Von unserem in Rudolstadt projectirten Journal gab ich ihm auch einen Wink. Er würde sehr geneigt seyn, sich zu einem solchen gesellschaftlichen Werk zu vereinigen, besonders wenn es zugleich von einer bürgerlichen gesellschaftlichen Verbindung an demselben Orte begleitet werden könnte.

Von Körnern werde ich Ihnen die verlangte Musik kommen lassen. Ich hoffe auch, daß seine Composition auf die Hymne, die er mir versprochen hat, nun bald fertig seyn soll. Könnt ich doch nur manchmal eine Stunde zuhören, wenn Sie spielen und neue Wärme für meine Arbeiten daraus schöpfen.

Heute habe ich mir viele Besuche vorgenommen, auch bei Göthen. Göthe ist so gar selten allein, und ich möchte ihn doch nicht gerne bloß beobachten, sondern mir auch etwas für mich aus ihm nehmen. Der Herzog ist die Abende fast immer da. Und den Vormittag belagern ihn Geschäfte. Frau von Stein sehe ich vielleicht auch. Ich bedaure daß sie nicht wohl ist.

Und Ihre liebe Mutter beklage ich recht sehr, daß das böse Zahnweh sie nicht verlassen will. Hätte sie nur einen guten Arzt in R. Vielleicht müssen doch innerliche Mittel dabei zu Hilfe genommen werden. Mein Gott! Warum verstehe ich von meiner Kunst nicht mehr, dass ich ihr damit dienen könnte!

Auf mich kann sich Ihre Mutter bei Boden berufen. Wegen meiner Gesundheit seien Sie ganz ruhig. Ich bin immer wohl gewesen und habe nun 4 Wochen keinen Besuch vom Schnupfen gehabt. Das ist ordentlich ein Wunder!

Sie haben beide bemerkt, daß mein voriger Brief nicht heiter geschrieben war. Doch erinnere ich mich keiner schlimmen Laune; es ist aber möglich, daß die Seele unbemerkt gedrückt wird, wenn sie nicht ausfließt und immer von denselben Gegenständen umringt und befangen ist. Es könnte also doch eine Folge meines einsamen Lebens gewesen seyn. Ich traue hierinn dem feinen Blicke der Freundschaft sehr, und darum glaube ich Ihnen mehr als meinem eigenen Gedächtniß. Aber Sie sollen nicht dadurch verstimmt werden. Flißt auch zuweilen etwas Melancholisches in meine Briefe mit ein, so müssen Sie denken, daß diese Laune vorbey ist, wenn Sie den Brief erhalten.

Ich habe unter meinen Büchern einen Theil des Cahier de lecture noch gefunden, der für einen Merkur mit eingepakt worden ist. Sie haben ihn doch nicht vermißt? Hier schicke ich ihn zurücke, wie auch einige Bände Théatre des Grecs.

Leben Sie nun recht wohl liebste Freundinnnen, und schreiben Sie mir immer so freundliche große Briefe. Sie verschönern dadurch meine Existenz und hellen meine Einsamkeiten auf. Mögen Sie dafür recht schöne Augenblicke haben, und möge die Freundschaft sie Ihnen geben helfen. Adieu. adieu.

Beulwitz empfehlen Sie mich auch recht schön und Ihrer Mutter suchen Sie durch Vorlesen ihre Schmerzen vergeßen zu machen.

Sie fragten, ob die Schmidt hier sey. Nein. Sie ist noch nicht hier und man weiß auch nicht wann und wie sie kommt. Adieu. adieu. Ewig der Ihrige

S.