HomeBriefeAn Caroline von BeulwitzSchiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 23. Dezember 1788

Schiller an Lotte v. Lengefeld und Caroline v. Beulwitz, 23. Dezember 1788

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Weimar d. 23. Dec. [Diensttag] 88.

Sehr lange ist mir die Zeit geworden die mir kein Lebenszeichen von Ihnen gebracht hat. Ich habe das Unglück zwar schon von weitem geahndet, weil die Kälte gar zu streng war – aber es ist doch, als sollte es nicht seyn, daß wir solange nichts von einander hören, und es ist recht gut, daß es so ist!

Für die mannichfaltige interessante Nachrichten, die Sie mir beyde von Ihren Beschäftigungen geben, kann ich Ihnen nichts ähnliches erwiedern, denn meine Existenz war bisher noch die alte, Arbeit ohne Geistesgenuß. Das dringendste ist seit gestern vorbey, und nun werde ich auch mehr Menschen sehen.

Aber Eine Nachricht von mir kann und muß ich Ihnen doch geben, weil Sie leider eine meiner schönsten Hofnungen für eine Zeitlang zu Grund richten wird. Es ist beynahe schon richtig, dass ich als Professor der Geschichte künftiges Frühjahr nach Jena gehe. So sehr es im ganzen mit meinen Wünschen übereinstimmt, so wenig bin ich von der Geschwindigkeit erbaut, womit es betrieben wird; aber er Abgang Eichhorns machte es in mehrerem Betracht nothwendig. Ich selbst habe keinen Schritt in der Sache gethan, habe mich aber übertölpeln lassen, und jezt, da es zu spät ist, möchte ich gerne zurücktreten. Man hatte mich vorher sondirt und gleich den Tag darauf wurde es an unsern Herzog nach Gotha geschrieben, der es an dem dortigen Hof gleich einleitete. Jezt ligt es schon in Coburg, Meinungen u. Hildburgh. Und ist vielleicht in 3 Wochen entschieden. Mir hat Göthe vor einigen Tagen schon eine schriftliche Erklärung communicirt, die an ihn von Seiten der Regierung gekommen ist, wo mir schon gesagt wird, dass ich meine Einrichtung machen möchte, weil es so gut als entschieden sey.

Also die schönen paar Jahre von Unabhängigkeit die ich mir träumte sind dahin, mein schöner künftiger Sommer in Rudolstadt ist auch fort; und dieß alles soll mir ein heilloser Catheder ersetzen! Das beste an dieser Sache ist doch immer die Nachbarschaft mit Ihnen. Ich rechne darauf, daß Sie mir diesen Sommer eine himmlische Erscheinung in Jena seyn werden, weil ich das erste Jahr zuviel zu thun und zu lesen habe, um noch etwas Zeit für die Wünsche meines Herzens übrig zu behalten. Dafür verspreche ich Ihnen, die folgende Jahre Ihnen diesen Liebesdienst wett zu machen. Ist für mich nur erst ein Jahr überstanden, so lies’s sichs alsdann im Schlafe, und ich habe meine Seele wieder frey. Versprechen Sie mir in Ihrem nächsten Briefe, mit diesen Wunsch zu erfüllen.

Göthen habe ich unterdessen einmal besucht. Er ist bey dieser Sache überaus thätig gewesen, und zeigt viele Theilnehmung an dem, was er glaubt, daß es zu meinem Glück beytregen werde. Knebel dem er es entdeckt hat, war vermuthlich just in seiner theilnehmenden Laune, denn ich höre, dass es ihn sehr freuen soll. Ob es mich glücklich macht wird sich erst in ein paar Jahren ausweisen. Doch habe ich keine üblen Hoffnungen. Werden Sie mir nun auch noch gut bleiben, wenn ich ein so pedantischer Mensch werde, und am Joch des Gemeinen Bestens ziehe? Ich lobe mir doch die goldene Freyheit. In dieser neuen Lage werde ich mir selbst lächerlich vorkommen. Mancher Student weiss vielleicht schon mehr Geschichte als der Herr Professor. Indeßen denke ich hier wie Sancho Pansa über seine Statthalterschaft: wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand, und habe ich nur erst die Insel, so will ich sie regieren wie ein Daus! Wie ich mit meinen Herren Collegen den Professoren zurecht komme ist eine andere Frage. Ich bin doch eigentlich nicht für das Volk gemacht!

Genug von dieser Materie. Ich schriebe Ihnen gerne recht viel aber es ist 2 Uhr nach Mitternacht. Ich mußte diesen Abend bei einem Souper seyn und weil ich fürchtete morgen zu spät geweckt zu werden, so schreibe ich lieber noch diese Nacht. Frau von Stein sehe ich morgen, neulich war ich auf dem Wege; da ich aber erfuhr, dass sie großen Thee gebe, wo der Herzog auch hinkommen würde, so gieng ich wieder nach Hause. Moriz habe ich auch wieder gesprochen, und finde ihn immer interessanter.

Er hat überaus viel Güte und Wahrheit in seinem Carakter, und manches drollige in seinem Betragen, das seinen Umgang angenehm macht. Hier gefällt er auch sehr. Fr. v. Stein soll ihm sehr gewogen seyn, bei der Fr. v. Kalb ist er auch gut angeschrieben, und er gefällt sich auch bey den hiesigen Damen. Knebeln sah ich einigemal bey der Kalb, wo er recht artig war. Manchmal mag ich ihn doch recht gut leiden und wollte der Himmel es gäbe keine schlechtern Menschen im Umgang!

Das nächstemahl mehr. Grüßen Sie die liebe Mutter und Beulwiz recht schön von mir. adieu. adieu.

Schiller.