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Schiller an Ferdinand Huber, 14. September 1787

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Weimar d. 14. Sept. [Freitag] 1787.

Nichts, mein Lieber, hätte mir angenehmer seyn können als die Nachrichten von Deiner Zufriedenheit, Deinen Fortschritten, Deiner Thätigkeit – und darinn bin ich ganz mit Dir einig daß ein Zurückbleiben hinter Deinen gefaßten idealischen Erwartungen Dich keineswegs niederschlagen darf. Nach und nach wirst Du die Beschäftigung liebgewinnen, jeder Tag wird Dich mit einem reellen Zuwachs an Ideen und Stärke Deines Genies bereichern, das Gelingen wird Deinen Muth erheben und kleinere Neigungen werden endlich von einer männlichen Selbstherrschaft und einer zweckmäßigen Richtung Deines Geistes verdrungen seyn. Was ich Dir neulich geschrieben habe ist jezt noch meine völlige Ueberzeugung, Trübsinn wie du meynst hat keinen Antheil daran gehabt. Die Unruhe die Du an mir wahrgenommen haben wolltest war ein tiefes Aufregen meiner ganzen Seele, welches einem gründlichen Entschlusse vorangehen mußte. Jezt bin ich ruhig durch die Versicherung meiner selbst, durch den Glauben an die zureichende Kraft meines Wesens.

Der heftigen Erschütterung die meine Seele in diesem Zeitraum ausgestanden hat die alle ihre Kräfte in ihren Tiefen bewegte, konnte mein Körper nicht ganz gewachsen seyn. Ich fühle meine Gesundheit angegriffen, und mein zerrütteter Kopf schreibt meinem guten Willen eine sehr enge Gränze vor. Aber hier prüfe ich zugleich die gründliche Stärke meines neuen Glaubens, denn selbst in dieser hypochondrischen Verfinsterung verläßt mich mein Muth nicht.

Hier habe ich wenig Freuden, die von außen in meine Seele kommen, also auch wenig Zerstreuungen, die mich in Versuchung führen könnten. Hätte ich keine dringende Geschäfte so würden mir vielleicht einige der hiesigen Menschen etwas seyn, d. h. ich würde in ihrem Umgange Nahrung finden können. Aber für die wenigen Minuten die ich erübrige und wo meine abgemattete Seele nach Ruhe sich sehnt, sind sie mir nichts. Das sind Instrumente die erst nach langem Greiffen und Spielen in Gang zu bringen sind. Diese ganze Woche habe ich außer Charlotten beinahe niemand gesehen. Am vorigen Sontag war ich zu Bertuch zu einem sehr weitläuftigen Soupeer geladen, wo ich mich unter einer höchst abgeschmackten Menschenklasse, den Räthen und Räthinnen von Weimar, sehr übel berathen fand. In einer solchen Dürre des Geistes war Bertuch für mich ein wohlthuendes Wesen und das ist viel gesagt. Aber ich kann Dir versichern, daß unter allen hiesigen Menschen Bertuch mir noch beinahe der liebste ist, weil ich über gewisse Dinge bei ihm schon zum voraus resigniere und alles finde was ich bei ihm suche.

Nächst ihm gefällt mir Bode noch ziemlich, aber ich traue ihm eben so wenig. Herder würde mir von allen der liebste seyn, wenn Herder aus sich heraustreten könnte um der Freund eines Freunds zu seyn. Beim ersten Anblicke und vollends bei einem warmen Gespräch ist es der liebenswürdigste Mensch unter dem Himmel. Dein ganzes Herz will ihm entgegen fliegen aber man sagt dass er es immer wieder zurückzuwerfen weiß. Von den übrigen Menschen sind mir der Kammerrath Riedel der Instruktor des Erbprinzen und Hofmedicus Hufland, ein Vetter des Jenaischen noch die liebsten. Letzterer besucht mich und sein Umgang thut mir wol. Es ist ein gar guter Mensch. Vogit hat zuviel Geschäfte um von mir genoßen werden zu können. Bei der Schrödern war ich diese Woche einmal. Sie ist gar nichts mehr und schwerlich jemals was gewesen. Doch in einem freundschaftlichen Umgang kann man sie leiden, um bei ihr einzuschlafen.

Im Stern habe ich mich indessen oft herumgetrieben. Ich war anfangs neugierig auf die regierende Herzogin und ihr zu gefallen gieng ich manchmal dahin, weil ich wußte dass ich ihr begegnete. Das geschah auch mehrmals wenn sie mit Charlotten spazieren gieng. Sie hat eine edle ansehnliche Figur, ist aber von Gesichte gar nicht schön. Man sagt daß sie ein edles Geschöpf sey, aber sie ist kalt und viele halten sie für stolz. Dass ich mich ihr nicht vorstellen laße wirst Du sehr billigen, wenn ich Dir sage, daß es nicht erwartet wird. Es ohne das zu thun, da ich keine Garderobe habe nach Hof zu gehen, da ich für diese Welt gar nicht gemacht bin, da ich als ein unbedeutender bürgerlicher Menschen unter dem Adel doch eine sehr precaire Rolle spielen müßte, die meinem Stolze weh thun würd und da ich sie nie anders als in einer Theegesellschaft und niemals allein sprechen kann, würde sehr lächerlich seyn.

Beck hat mir diese Tage geschrieben und Nachricht gegeben, dass offne Fehde sehr gefallen habe. Jezt schreibt er würde auch deiner guten Mutter gedacht werden. Über den Carlos erwarte ich täglich eine Antwort von Dalberg. Er hat ihn seit 14 Tagen. Marchand aus München kann den Carlos nicht nehmen und offne Fehde hat er schon. Wer weiß ob es nicht gar Deine Uebersetzung ist. Auf Michaelis können die Verschwörungen freilich nicht fertig werden aber auf Neujahr gewiß. Ende Octobers bin ich fertig mit den Niederlanden. An Crusius mag ich nicht eher schrieben biss ich ihm einen Transport Mscrpt schicken kann. Der Carlos ist in Hamburg gegeben aber ich weiss es nur von Hörensagen und auch nicht wie er ausgefallen ist. Erfährst Du etwas so lass michs wissen. Bertuch sagt mir Göschen würde dieser Tage hierherkommen. Es sind ihm 6 von seinen neuen Verlagsschriften nachgedruckt worden.

Grüße Körners tausendmal. Ich werde ihm kommenden Donnerstag schreiben. Den Brief der nach Meinung geschikt war habe ich richtig erhalten.

Und Du mein Bester lebewol und behalte mich lieb. Charlotte grüßt euch tausendmal.

Ewig der Deinige Schiller.