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Schiller an Henriette v. Wolzogen, 20. Dezember 1787

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Weimar den 20 Dec. [Donnerstag] 1787.

Endlich! werden Sie sagen, endlich doch ein Brief! und in der That schreibe ich Ihnen etwas spät, wie wir angekommen sind. Aber die Geschäfte die ich hier vorfand haben mich biß jezt nicht zu Athem kommen lassen. Sie werden mir das aufs Wort glauben und verzeyhn.

Wir sind glücklich nach Rudolstadt gekommen, wo ich eine sehr hochachtungswerthe und liebenswürdige Familie fand. Ich kann nicht anders als Wilhelms guten Geschmack bewundern, denn mir selbst wurde so schwer mich von diesen Leuten zu trennen, dass nur die dringendste Nothwendigkeit mich nach Weimar ziehen konnte. Wahrscheinlich werde ich aber diese Nachbarschaft nicht unbenutzt lassen und sobald ich auf einige Tage Luft habe, dort seyn. In Weimar hat Wilhelm sich nur 2 kleine Tage aufgehalten, wo ich ihn in den Clubb geführt und ihn mit Bode, Wieland, und Bertuch bekannt gemacht habe. Melle Schröter haben wir auch besucht und bei Kalbs zu Mittagsessen. Ueber diese Dinge wird er Ihnen selbst Auskunft geben. Jezt, meine liebste Freundin, sitze ich wieder unter Folianten und alten staubigten Schriftstellern wie begraben, und zehre gleichsam von der Erinnerung dieser 10 fröhlichen Tage die ich bei Ihnen zugebracht habe. Wir haben uns doch wiedergesehen, und die freudige Entdeckung gemacht, dass wir die nähmlichen geblieben. Ohne Zweifel wohnen Sie jezt wieder einsam in Bauerbach, aber ich beneide Ihnen manchmal diese Lage. Sie genießen das höchste Glück in meinen Augen, Unabhängigkeit und Ruhe. Abwechslung können Ihnen die kleinsten Geschäfte geben. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Wilhelm von mir. Der lieben Lotte werde ich bald nach Hildburghausen schreiben.

Ewig Ihr

Schiller.