HomeBriefeAn Henriette v. WolzogenSchiller an Henriette v. Wolzogen, 28. Juli 1783

Schiller an Henriette v. Wolzogen, 28. Juli 1783

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Mannheim am 28. July [Montag] 83.

Endlich bin ich in Mannheim. Matt und erschöpft kam ich gestern Abend hier an, nachdem ich Vormittags früh noch in Frankfurt gewesen. Die übergrose Geschäftigkeit und Höflichkeit meines Frankfurter Gastwirths, welche bei Leuten dieser Handthierung einem kranken Geldbeutel immer gefärlich ist, schrökte mich ab, eine wolfeile und bequeme Gelegenheit in Frankfurt abzuwarten, wo ich ohne Zweifel in 2 Tagen mehr verzehrt haben würde, als mich die Extrafuhr nach Mannheim theurer denn eine andre zu stehen gekommen ist. Von meinem Geld habe ich noch 15 Laubthaler hieher gebracht, wovon ich 5 auf die Rükreise bei Seite lege, und mit den übrigen 10 hier auskommen mus. Meier hat eine Wohnung und Kost für mich ausgemacht, welche sehr wolfeil und gut ist. Ich bezale wöchentlich für 2 Zimmer, Betten und Meubles 1 fl. und wohne neben dem Schloßplaz, welches eine vortrefliche Aussicht hat. Für Mittag und Abendeßen, troknen Tisch, gebe ich 24 kr. Der Krug Bier kostet mich 6 kr. Das Frühstük gebe ich auf, also kommt mich Kost und Logis wöchentlich auf 2 Konvenzionsthaler. Perükenmacher, Postgeld, Wäsche und Tobak machen einen eigenen Artikel. Über 3 Wochen kann ich also schwerlich bleiben. So stehen meine Finanzen.

Nun meine Beste werden Sie wißen wollen, wie ich die Sachen bei meiner Ankunft gefunden. – Nicht gar zum Besten. Dalberg ist von einer Reise nach Holland noch nicht zurük, wird aber erwartet. Ifland ist nach Hannover, soll aber in etlichen Tagen auch wieder ankommen. Also bin ich einige Zeit wenigstens ganz ohne Nuzen hier. Meinen Freunden habe ich durch meine Ankunft viele Freude gemacht, ihnen aber sehr klar merken laßen, dass ich nichts als mein Vergnügen bei meinem hiesigen Aufenthalt zur Absicht habe. Bis also Dalberg zurük ist kann ich Ihnen nicht das geringste von meinen Aussichten sagen.

Und ich werde sie schwerlich benuzen meine Theuerste, wenn sie mir auch in die Hände liefen, sobald mein Aufenthalt bei Ihnen im geringsten durch litte. Gestehen mus ich Ihnen, daß alles was mir hier vorkommt und noch vorkommen kann bei der Vergleichung mit unserm stillen glüklichen Leben entsezlich verliert. Sie haben mich einmal verwöhnt – verdorben solte ich sagen, dass ich den lebhaftesten Eindrüken der gröseren Welt beinahe verschloßen bin. Wenn ich es möglich machen kann, dass ich ohne einen Schritt in die Welt zu thun, 400 fl. järlich ziehe, so begrabt man mich noch in Bauerbach. So leer und verdächtig ist mir alles, seit ich von Ihnen bin, und so wenig Geschmak kann ich einer Lebensart abgewinnen, die Sie nicht mit mir genießen. Wie froh will ich seyn, wenn ich mit einigen guten Aussichten und Geld in der Tasche die Rükreise wieder antreten kann, und wie sehr wird meine Glükseligkeit bei Ihnen durch diesen Ausflug gewonnen haben!

Aber wie bringen Sie jezt Ihre Tage zu, theure Freundin? Traurig, fürcht ich, und wünsche es gewisermaßen doch, denn es ist etwas tröstendes und süßes in der Vorstellung, daß 2 getrennte Freunde ohne einander nicht lustig sind. O es soll mich spornen bald bald wieder bei Ihnen zu seyn, und unterdeßen will ich bei meinen grösten Zerstreuungen an Sie meine Werteste denken, ich will mich oft aus dem Zirkel der Gesellschaften losreißen und auf meinem Zimmer schwermütig nach Ihnen mich hinträumen, und weinen. Bleiben Sie, meine liebe, bleiben Sie was Sie mir bisher gewesen sind, meine erste und theuerste Freundin, und laßen Sie uns ohne Zeugen ein Beispiel unverfälschter Freundschaft seyn. Wir wollen uns beide beßer und edler machen, wir wollen durch wechselseitigen Antheil und den zärtesten Bund schöner Empfindungen die Glükseligkeit dieses Lebens erschöpfen, und am Ende stolz auf dieses untadelhafte Bündnis seyn. Nehmen Sie keinen Freund mehr in Ihrem Herzen auf. Das Meinige bleibt Ihnen bis in den Tod, und wo möglich noch über diesen hinaus.

Heute werde ich auch meinen Eltern, ihrem Wilhelm und der Frikin nach Stuttgardt schreiben. – Grüßen Sie mir unsere liebe Lotte, welcher ich das nächstemal schreiben will, und wenn Sie der Tante schreiben, so sagen Sie ihr daß ich oft an Sie denke, und sie recht sehr lieb habe. Alle die Ihrigen, meine Beste, sind so gut und bleiben mir ewig werth. Vielleicht, dass ich auch Ihrem guten Bruder von hier aus einige Linien schreibe.

Schreiben Sie mir doch mit dem bäldisten wie Sie leben, und ob sie mich noch lieben. Zwar das hoff ich gewis. Schreiben Sie mir Ihre ganze Lebensart von Morgen bis in die Nacht, und was Ihnen neues begegnet – auf diese Art überzeug ich mich doch, daß Sie auch mich in dem Herzen tragen, wie ich Sie in dem meinigen.

Mein Papier neigt zum Ende. Ich mus also kurz seyn. Es ist ein Paquet von Berlin an mich auf dem Weeg, das gegenwärtig in Meinungen angelangt seyn mus. Laßen Sie nachfragen. Rheinwald sagen Sie, daß Schwan weder Brief noch Dukaten bekommen, daß er also auf der Post Nachfrage thun soll. Ihre Briefe addressieren Sie an Madame Hammelmann im Hubertshaus zu Mannheim. Das ist das Haus wo ich logiere.

Noch einmal. Schreiben Sie mir bald, und die liebe gute Lotte küßen Sie in meinem Namen (wenns erlaubt ist). Kepp wird schon seit Dienstag abends zurük seyn und Ihnen das Uebrige mündlich gesagt haben.

Frid.