HomeBriefeAn Wilhelm ReinwaldSchiller an Wilhelm Reinwald, 15. August 1796

Schiller an Wilhelm Reinwald, 15. August 1796

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Jena 15. Aug. [Montag] 96.

Endlich lieber Bruder habe ich nach 5 Wochen langem Warten Nachrichten von Schwaben. Die Posten waren diese ganze Zeit zwischen hier und jenen Gegenden gehemmt, und selbst die Expedition der Horen mußte ruhen, weil das hiesige Post Amt keine Briefe nach Wirtemberg annahm. Briefe die ich schon vor 6 Wochen abgeschickt sind erst am 6 August in Cottas Hände gekommen.

Die Nachrichten aus Schwaben lauten im Ganzen Tröstlicher, als ich, dem allgemeinen Gerüchte nach, hoffen konnte. Auf der Solitude haben sie nicht viel von den Franzosen gelitten, desto mehr aber von dem häußlichen Leiden denn der gute Vater hütet noch immer das Bette, unter den unerträglichsten Schmerzen, und mit jedem Tage sinkt seine Lebenskraft, so, daß er schwerlich mehr von diesem Lager aufkommen kann. Du begreifst wohl, daß Deine Frau das traurigste Leben unter diesen Umständen führen muß. Sie sehnt sich nach Hause und zu Dir zurück, aber einen sterbenden Vater und eine Familie in diesem Herzeleid zu verlaßen ist auch eine schwere Sache und wider ihre kindliche Pflicht. Wenn sie es aber auch über sich gewinnen könnte, so wäre es jetzt, wo Schwaben und Franken von Soldaten wimmeln, und alle Wege durch Marodeurs u anderes Gesindel unsicher gemacht werden, nicht zu wagen. Sie könnte ohne Gefahr der ärgsten Mißhandlungen jetzt nicht reisen, und man muß abwarten, biß sich das Kriegsgewühl verlaufen hat. Ich kann mir Deine Lage wohl denken und beklage Dich recht herzlich. Aber es ist nun eine unglückliche Schickung, der man sich unterwerfen muß. Auch sey versichert, daß Du nicht soviel dabey leidest, als Deine arme Frau, die das allgemeine und das häußliche Elend beständig jetzt vor Augen hat, und sich dabey von Dir und ihrem Hause abgeschnitten sieht.

Ich habe Dir noch nicht geschrieben, daß meine Frau von einem jungen Sohn, der d Nahmen Ernst Friderich Wilhelm bekommen glücklich entbunden worden ist. Ich wollte Panzerbietern einen großen Brief an dich mitgeben, aber es überliefen mich damals soviele Besuche, und nachher kamen soviele Besorgungen in d Wochenbett meiner Frau dazu, daß ich kaum zur Besinnung kommen konnte. Ich muß jetzt, da ich von Cotta abgeschnitten bin, den neuen MusenAlmanach und andere damit verwandte Geschäfte selbst besorgen, außer den schriftstellerischen Arbeiten, welches bey einer so schwachen Gesundheit, wie die meinige fast zu viel ist.

Meine Frau und Wolzogens grüßen Dich beßtens. Ich umarme Dich lieber Bruder von ganzem Herzen

Der Deinige

Sch.