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Schiller an Wilhelm Reinwald, 17. Mai 1786

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Dresden d. 17. Mai [Mittwoch] 86.

Deine Gedichte habe ich erhalten; ehe ich sie aber durchlese will ich dir wenigstens noch einige Zeilen schreiben.

Nach reifer Ueberlegung finde ich, daß eine Gattung litteratrischer und bürgerlich-philosophischer Briefe (ich weiß nicht ob Du mich hier ganz verstehst) vorzüglich für Deinen Geist, Deine Feder sein würden. Ich glaube nicht, daß Du mich für ein Schmeichler hältst, also kann ich Dir sagen, daß viele Deiner Briefe an mich Muster guter Briefe abgeben könnten.

Der Vers kostet Dich mehr. Mehr Zeit, mehr Spannung. Der leereste Sünder kann die Gabe der Versifikation besizen, wenn der geistvolle Denker in diesem Halseisen fast erstikt. Außerdem läßt sich mit dem edleren Briefton diejenige Art des Wizes und der Laune vereinigen, die Dir eigenthümlich ist. Ueberlege es Lieber, ob Du meinen Rath nicht in Ausübung bringen kannst. Briefe zum Beispiel über Konvenzionelle Verhältniße in der Bürgerwelt, über Bildung und Verbildung, über dieses oder jenes epochemachende Werk, über diesen oder jenen Mann, der der Nation wichtig geworden, über richtige Schäzzung des Verdienstes u. s. f. würden und müßten aus Deiner Feder sehr intereßieren. Wenn ich die Thalia fortseze, ein Umstand den ich Dir binnen 6 Wochen bestimmen kann, so würde ich diesen Beitrag von Dir mit Vergnügen aufnehmen und Du hättest zu gewißen Stationen des Jahrs – Nadelgeld für Deine Frau. Schreibe mir Deine Entschließung, oder noch beßer, überrasche mich bald mit einem Briefe in dieser Manier. Die Gedichte welche ich meinte, sind das eine auf Ch. v. Kalb Abreise, worinn ich aber einige Strophen mehr gelesen zu haben meyne, als in Deinem Mscrpt. stehen, das andere glaube ich war an mich. Es ist schon von etwas lange, und ich weiß den Allmanach nicht gleich zu bekommen.

Auch habe ich schon darauf gedacht, ob Du nicht allenfalls Lust hättest ein gutes Original aus dem italienischen zu übersezen. Ich meine eine neue Schrift, die ich Dir z. e. sobald ihre Erscheinung einem deutschen Buchhändler bekannt wird, zuweisen würde, denn Hr. Goeschen kann mir hierzu behülflich sein. Wäre die Schrift intereßant, so könntest Du doch immer denke ich 3 Rthr. Für den Bogen erhalten, welches bei Uebersezungen billig ist. Dergleichen Thätigkeiten liebster Freund sollte Deinem Leben eine gewiße heilsame Fluctuation und Deinem Beutel einige Subsidien verschaffen. Ueberdenke es einmal.

Was ich Dir von einer persönlichen Bekanntschaft mit meinen hiesigen Freunden geschrieben habe, gründet sich auf die Außicht einer Reise durch Deutschland, welche wir zusammen unternehmen wollten, und wobei, wie Du leicht denken kannst, Meinungen nicht übergangen werden wird. Freilich so bald wird es nicht geschehen, weil eine gewiße Epoche in meinen Finanzen erst abgewartet werden muß.

Von Hauße habe ich unterdeßen Nachricht erhalten, die mich beruhigt. Sage der Frau von Wolzogen und ihrer Tochter tausend Empfehlungen. Ich schreibe ihr nächstens. Der Deinige

Fr. Schiller.