Dresden d. 15. April [Sonnabend] 1786.
Liebster Freund,
Dießmal so unverzeihlich faul und nicht wieder, davor stehe ich Ihnen. Freilich hätten Sie ganz recht wenn Sie Sich eines Freundes schämten der so lange wartet wie ich, es Ihnen zu beweißen aber so ernsthafte Schlüße hätten Sie doch aus meinem Stillschwiegen nicht ziehen sollen. Warum haben Sie keine schlechtere Meinung von meiner Schreibseligkeit in Briefen und keine beßre von meinem guten Willen? Wahrhaftig liebster Freund, meine Faulheit hätten Sie verachten, verdammen, verfluchen, aber sie meiner Freundschaft nicht zur Last legen sollen, denn das versichere ich Ihnen, wenn man durch eine Correspondenz mit dem Apostel Petrus ins Himmelreich kommen müßte, so wärs um meine Seligkeit geschehen.
Doch liebster Freund, ganz Faulheit war es nicht, was meine Antwort um einige Monate länger verzögerte. Sie haben mir einige Gedichte geschikt, welche zu einer Sammlung gehören und wozu Sie einen Verleger wünschten. Ich habe Ihrem Auftrag gemäß durch einige Canäle, die ich in Leipzig offen habe, sondieren laßen, aber das eigennüzige Volk von Buchhändlern macht Schwierigkeiten, die ich freilich in etwas voraussehen konnte. Sie liebster Freund verlieren nichts dabei wenn ich Ihnen sage, daß diese einzelne Stüke die Sie als eine Probe müßen ansehen laßen zu wenig Schein für einen Kaufmann besizen. Freilich wären Gedichte dieses Inhalts desto schlimmer je mehr Glanz sie hätten, aber ich tadle es, dass Sie gerade solche auswählten, die ihrem Inhalte nach nicht auffallen können. Ganz zu verdenken ist es dem Kaufmann nicht, wenn er, da er selbst doch hierinn als Selbstkenner nicht urtheilen kann, sich nach etwas umsieht, das in die Augen springt. Ein anderes wäre es, wenn Sie Sich vorhero hätten entschließen können, mehrere einzelne Stükke in Journalen und andern Sammlungen zerstreut dem Publikum vorzulegen, so würde der Buchhändler Sie kennen und eine Speculation darauf wagen. In einem fränkischen Allmanach stehen einige Gedichte von Ihnen worunter eines ganz vortrefliche Gedanken hat. Wir haben es vor nicht gar langer Zeit in einer Gesellschaft bewundert, würde dieses allein so bekannt als es verdiente, so sollte es Ihnen ō schwer werden, überal einen Verleger zu der ganzen Sammlung zu finden. Könnten Sie mir einige dieses Inhalts schiken so ließen wir Sie in einigen Journalen herumfliegen, und kündigten darauf die Samlung an. Wollen Sie sich aber mit einem schlechteren Vorschlag begnügen mein lieber so schiken Sie mir nach und nach die einzelne Stükke für meine Thalia. Ich sehe Sie als meinen Associé an und laße Ihnen für den Bogen soviel bezahlen als mir bezahlt wird 2 Louisdors. Langsamer geht es so freilich, aber Sie haben den Vortheil, in einiger Zeit die ganze Sammlung aufs neue zu Geld zu machen, welches ich Ihnen rathe, denn wir arme Gelehrte müßen uns bezahlt machen wie wir können. Beherzigen Sie diese Idee und laßen Sie mich dann Ihre Entschließung hören.
Aber wird mein Freund sagen mit Nathan dem Weisen, wo vom Gelde die Rede ist
„Warum zuerst
„von dieser Kleinigkeit?“
Ich habe nur damit angefangen um Ihren Vorwürfen eine Diversion zu machen und den Artikel des Briefschreibens abzubrechen. Nachdem das geschehen ist, fahre ich weiter fort.
Sie haben mir – oder Du hast mir (denn warum das entfernende Sie noch unter uns? Ich wundere mich daß es keinem von uns noch eingefallen ist es abzuschaffen, sind wir ō Brüder? Sapperment und sind wir nicht oder werden wir nicht Schwäger? also) Du hast mir in Deinem lezten Briefe kein Wort von einer Reise nach Stuttgardt geschrieben, welche meines Wißens doch auf dem Tapet war, auch kein Wort von der Hochzeit, daß ich mich mit einem Carmine gratulatorio hymenaeo thalassio darauf richten könnte. Im Ernst liebster Freund ich weiss gar nicht, was vorgegangen sein muss, denn von Hauße habe ich nun schon über 2 Monate keine Antwort erhalten, meine Schwester hat mir keine Zeile Antwort geschrieben, und Du bist in Deinem Briefe auch von meiner Familie stumm. Was ist denn das? Wahrhaftig das ist der erste Fall in meinem Leben, wo man mir Briefe schuldig bleibt, mein Vater glaube ich und meine Schwester wollen alle meine Correspondenten an mir rächen. Übrigens ist mir diese Ungewißheit so gar angenehm nicht. Ich höre kein Wort von meiner Familie, und muss mir allerlei Sorgen darüber machen. Wenn Du etwas mehr weißt als ich, so laß mich es wißen.
Mir ist es übrigens hier wohl. Ich bin gesund, arbeitsam, im ganzen genommen heiter und lebe unter vortreflichen Menschen. Ich hoffe, Du solst sie alle noch kennen und lieben lernen. Pfaffenrath war freilich hier, hat mich auch besucht, weil ich aber diesen Besuch nur dem bloßen Umstand zu danken habe daß er an meinem Hauße vorbei gieng und ich gerade über die Gaße lief, so habe ich auch warten wollen biß mich ein ähnlicher Umstand an seinem Logis vorbei und ihn über die Gaße führte, um ihm die Visite heimzugeben, welcher Umstand sich aber nicht vorgefunden hat, und inzwischen ist er wieder abgereißt. Das ist alles! Uebrigens Du verstehst mich.
Was Deine Bestellung der Thalia betrift so sollst Du Dich und sollen sich Deine Intreßenten nur noch 14 Tage gedulden, dann wird das 3te Heft zugleich mit dem 2ten verschikt und die Sache ist wieder in Ordnung. Die Post zu Mannheim hat nichts mehr damit zu thun, und vollends nicht, weil ich um alles Geld betrogen bin, das sie mir für die versendeten Exemplare der Thalia schuldig ist. Mein Buchhändler wird es von jezt an an alle Liebhaber aufs beste und schleunigste besorgen. Jedes Heft wird einzeln bezahlt, doch das geht mich nichts mehr an.
Ich bin sehr begierig liebster Freund wie Du diese 2 neue Stüke der Thalia aufnehmen wirst, vorzüglich die Fortsezung des Carlos (von deßen erstem Akte du mir nicht ein Wort gesagt hast) einige Gedichte, Philosophische Briefe und eine Erzählung. Doch das wirst Du dann schon finden. Den Einschluß besorge an Frau v. Wolzogen, der Dslle Doebnern empfiehl mich, wie auch dem Herrn Hofprediger und Fleischmann. Antworte mir bald und versöhnt!!
Von ganzem Herzen der Deinige
Fridrich Schiller.