Weimar 28. Febr. [Montag] 1803.
Sie haben durch Ihr Außenbleiben die Hofnungen vieler Freunde getäuscht, die Sie lieben und verehren, und manches Plänchen das auf Ihr Hierseyn berechnet war, scheitern gemacht. Unter diesen war auch eines von mir, das auch auch Goethen sehr am Herzen lag – es ist eine Tragödie von mir, mit dem Chor der alten Tragödie, vorhanden, worinn dieses wirksame Organ, der alten Bühne nicht ohne Erfolg versucht worden ist. Ich sende das Stück mit heutiger Post nach Berlin an Iffland, von dem Sie es zu lesen bekommen können. Wir hielten es nicht für unmöglich, die lyrischen Intermezzos des Chors, deren fünf oder sechs sind, nach GesangsWeise recitieren zu lassen und mit einem Instrument zu begleiten.
Uebrigens verließen wir uns auf Ihr sachverständiges Gutachten und auf die Eingebungen Ihres Genies. Ihr Wegbleiben zernichtet nun zwar diese Hofnung und wir werden das Stück mit samt den Chören bloß declamieren laßen. Vielleicht aber interessieren Sie Sich doch für diese Arbeit und Sie überraschen uns einmal mit einer musikalischen Ausführung derselben.
Goethe sagt mir von mehreren schönen Melodien die Sie ihm geschickt hätten, er läßt sie einstudieren und verspricht uns diese Woche ein rechtes Fest davon? Ihre Melodie zu den vier Weltaltern und An die Freunde ist vortreflich und hat mich höchlich erfreut. Den Kampf mit dem Drachen, so wie das Reiterlied soll ich diese Woche hören.
Eine Cousine meiner Frau, ein Fräul. v. Wurmb, welche in Rudolstadt Hofdame ist, reist in diesen Tagen nach Berlin und wird sich Ihnen darstellen. Sie hat Talent zum Gesang und man lobt ihre Stimme. Ein Hauptmotiv Ihrer Reise nach Berlin ist von Ihrem Rath und Ihrem Singinstitut möglichst zu profitiren. Haben Sie daher die Güte werthester Freund, ihr einige Aufmerksamkeit zu schenken, und thun Sie es anfangs um unsertwillen, bis die Application Ihrer Schülerin sie Ihrer Aufmerksamkeit würdig macht. Meine Frau, die sich Ihnen freundschaftlichst empfiehlt, vereinigt ihre Bitte mit d. meinigen.
Leben Sie recht wohl und denken zuweilen
Ihres herzlich ergebenen Freundes
F. Schiller.