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Schiller an Karl Beyme, 18. Juni 1804

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Weimar den 18. Juny [Montag] 1804.

Hochwohlgebohrner Herr,
Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath,

Nach den gütigen Aeuserungen, die Sie mir in Potsdam gethan, nehme ich keinen Anstand, Ihnen meine Wünsche mit der Freimüthigkeit zu entdecken, die ich den großmüthigen Absichten des Königs und Ihren wohlwollenden Gesinnungen schuldig bin.

Daß ein längerer Auffenthalt in Berlin mich fähig machen würde, in meiner Kunst vorzuschreiten und in das Ganze der dortigen Theateranstalt zweckmäßiger einzugreifen, zweifle ich keinen Augenblick; aber eine gänzliche Versetzung von Weimar nach Berlin mit einer zahlreichen Familie würde ich nur unter Bedingungen ausführen können, welche die Bescheidenheit mir nicht zu machen erlaubt.

Doch auch schon der Auffenthalt von mehreren Monaten des Jahrs zu Berlin würde vollkommen hinreichend seyn, jenen Zweck zu erfüllen. Ich würde durch eine solche Abwechßlung meines Aufenthalts die beiden Vortheile vereinigen, welche das rege Leben einer großen Stadt zur Bereicherung des Geistes, und die stillen Verhältnisse einer kleinen zur ruhigen Sammlung darbieten; denn aus der größern Welt schöpft zwar der Dichter seinen Stoff, aber in der Abgezogenheit und Stile muß er ihn verarbeiten. Da es die großmüthige Absicht des Königs ist, mich in diejenige Lage zu versetzen, die meiner Geistesthätigkeit die günstigste ist, so darf ich von Seiner Gnade erwarten, daß Seine Majestät mir dieses Glück unter derjenigen Bedingung zusagen werden, von welcher es unzertrennlich ist.

Zweytausend Rthlr. jährlicher Gehalt würden mich vollkommen in den Stand setzen, die nöthige Zeit des Jahres in Berlin mit Anstand zu leben und ein Bürger des Staats zu seyn, den die ruhmvolle Regierung des vortrefflichen Königs beglückt.

Mit größter Verehrung verharre ich

Ew. Hochwohlgebohren

gehorsamster Diener
v. Schiller.