HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 13. Januar 1790

Schiller an Gottfried Körner, 13. Januar 1790

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Jena, 13. Jener [Mittwoch] 1790.

Dieser Brief wird so kurz ausfallen, wie ein Hochzeitbrief; er ist es aber auch. Innerhalb vierzehn bis achtzehn Tagen wird die heilige Handlung hier in unserer lieben Stadt Jena vor sich gehen; Du kannst Dich also immer mit einem selbstgemachten lateinischen Carmen darauf rüsten. Meine Schwiegermutter kommt hierher nach Jena, und alles wird en famille tractirt, wo möglich ganz ohne fremde Zeugen. Unsere Einrichtung würde Dir, ihrer Simplicität wegen, die dabey doch sehr anständig ist, gefallen. Alles, was das eigene Haushalten anfangs so schwer macht, fällt weg, da wir mit keiner eigenen Wirthschaft anfangen. Kurz, so poetisch ich Dir auch vorkommen mag, so würdest Du doch zweifelhaft werden, wenn Du mich in unserer neuen Haushaltung überraschtest. Meinen letzten Brief, worin ich Dir von der Pension schrieb, hast Du, hoffe ich, längst erhalten. Die kluge Meine, die Du in dem Deinigen annimmst, hat mich belustigt. Traue mir zu, daß die zwei Jahre, die ich gehabt habe, meine künftige Frau, in Rücksicht auf mich, kennen zu lernen, und in eben dieser Rücksicht gegen andere zu stellen, nicht verloren gewesen sind. Wem sollte ich es weniger sagen als Dir, daß in Fällen dieser Art allgemeine Urtheile nichts heißen, daß die Individualität allein dabei Richterin seyn kann. Ich weiß wohl, daß unter zehen, die heirathen, vielleicht neune sind, die ihre Frauen um anderer willen nehmen; ich wählte die meinige für mich. Mir scheint, es begegnete Dir diesmal mit mir, was schon einigemal geschah: Du hast Dich über mich geirrt, weil Du zu wenig Gutes von mir hofftest. Ich bin bey diesem ganzen langen Vorfall mit meinem Kopf und meinem Herzen sehr zufrieden; aber mir kommt vor, Du könntest den Maßstab nicht sogleich wiederfinden, mit dem ich zu messen bin – und jeder kann doch nur mit dem Maßstabe gemessen werden, den man von ihm selbst genommen hat.

Wenn ich vielleicht als Liebhaber, wie Du sagst, zu hoch in den Wolken stand, um meinem Gegenstand gut zu sehen, so stelltest Du Dich vielleicht diesmal etwas zu tief auf den Boden. Es wird gar nicht an Gelegenheiten fehlen, die Dich bekehren werden – und vielleicht gestehst Du Dir dann selbst, ein schönes Herz und eine feingestimmte Seele darum nicht gefunden zu haben, weil Du diese Eigenschaften bei Deinen Forderungen übersahst. Indessen, wozu diese Worte? Die Zeit wird es ja wohl lehren. Aber es ist mir zu vergeben, daß ich gerade Dich am wenigsten unter allen Menschen über ein Wesen in Irrthum lassen will, von dem ich einen so wichtigen Theil meiner Glückseligkeit erwarte.

Lebe wohl für heute. Ich schreibe Dir ja wohl noch mehr vor der Hochzeit. Grüße Minna und Dorchen schön von mir. Du wirst künftighin an Herrn Hofrath S. schreiben; ich bin seit einigen Tagen um eine Sylbe gewachsen – wegen meiner vorzüglichen Gelehrsamkeit und schriftstellerischen Ruhms beehrt mich der Meininger Hof mit dem Diplom.

S.