HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 17. März 1794

Schiller an Gottfried Körner, 17. März 1794

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Stuttgardt den 17. März [Montag] 94.

Ich habe jetzt meinen Aufenthalt verändert, und zwar in Rücksicht des gesellschaftlichen Umgangs sehr vortheilhaft, weil hier in Stuttgardt gute Köpfe aller Art und Handthierung sich zusammenfinden. Ich kann es mir nicht verzeyhen, daß ich diesen Entschluß nicht früher gefaßt habe; denn selbst in Rücksicht der Finanzen hätte ich nicht viel dabey verloren. Nun werde ich einige Monate angenehm hier zubringen; denn vor Ende Mays werde ich wohl nicht abreisen. Ich hoffe, meinem Vater hier nicht ganz unnützlich zu seyn, ob ich gleich von den Verbindungen, in denen ich bin, für mich selbst nichts erwarten kann.

Die Militairacademie ist jetzt aufgehoben; und dieß wird mit Recht beklagt, obgleich sie nicht mehr in ihrer Blüthe war. Außer den beträchtlichen Revenuen, welche Stuttgart daraus zog, hat dieses Institut ungemein viel Kenntnisse, artistisches und wissenschaftliches Interesse unter den hiesigen Einwohnern verbreitet; da nicht nur die Lehrer der Academie eine sehr beträchtliche Zahl unter denselben ausmachen, sondern auch die mehresten Subalternen und Mittleren Stellen durch academische Zöglinge besetzt sind. Die Künste blühen hier in einem für das südliche Deutschland nicht gewöhnlichen Grade; und die Zahl der Künstler, darunter einige keinem der Eurigen etwas nachgeben, hat den Geschmack an Malerey, Bildhauerey und Musik sehr verfeinert. Eine Lesegesellschaft ist hier, welche des Jahres 1300 Fl. aufwendet, um das Neueste aus der Litteratur und Politik zu haben. Auch ist hier ein passables Theater mit einem vortrefflichen Orchester und sehr gutem Ballet.

Unter den Künstlern ist Danecker, ein Bildhauer, bei weitem der beßte. Ein wahres Kunstgenie, den ein 4jähriger Auffenthalt in Rom vortreflich gebildet hat. Sein Umgang thut mir gar wohl, und ich lerne viel von ihm. Er modelliert jetzt meine Büste, die ganz vortrefflich wird. Miller wird vielleicht auf Ostern mit meinem Kupferstich fertig seyn.

Hetsch ist Dir schon bekannt. Dieser aber ist, was das Genie betrifft, mit Danneckern nicht zu vergleichen. Ein anderer sehr geschickter Bildhauer, der mit Dan. zugleich in Rom war, ist Scheffauer. Unter den Tonkünstlern ist Zumsteeg der geschickteste, der aber mehr Genie als Ausbildung besitzt. Unter den Gelehrten ist ein katholischer Caplan des vorigen Herzogs, Nahmens Werkmeister vorzüglich; und mir ist er es durch sein Interesse für die Kantsche Philosophie noch mehr. Uebrigens gibt es unter der gelehrten Klasse mehr Mittelköpfe, als vorzügliche Genies, wobey man sich aber nicht immer schlimmer befindet.

Mein Fleiß wird diese 8 Wochen durch nicht sehr groß seyn, aber es wird mir nach einer 8 Monate langen Dürre wohl thun, mich wieder unter denkenden Menschen zu befinden. Ich habe Dir noch immer nichts geschickt, weil es an der Abschrift meiner Correspondenz fehlt, welche nicht ohne vorhergegangene Revision des Mscrpts von meiner Seite geschehen kann. Ich habe aber schon 8 Wochen ganz in dieser Materie pausirt, um den Plan zu – meinem Wallenstein weiter auszuarbeiten. Nach und nach reift dieser doch zu seiner Vollendung heran; und ist nur der Plan fertig, so ist mir nicht bange, daß er in 3 Wochen ausgeführt seyn wird. Mit meiner Gesundheit gieng es biß jetzt leidlich, und sonst ist alles wohl, und der kleine macht uns mit jedem Tag mehr Freude. Alles grüßt euch herzlich und ich sehne mich nach Nachrichten von euch.

Dein S.