HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 6. September 1785

Schiller an Gottfried Körner, 6. September 1785

Bewertung:
(Stimmen: 0 Durchschnitt: 0)

Gohlis, 6. September [Dienstag] 1785.

Endlich einmal wieder einen Brief. Es ist der erste, den ich seit meiner Zurükkunft von Hubertsburg schreibe, und der muß nothwendigerweise an Euch seyn.

Huber wird Dich, liebster Körner, meinen Unfall haben wissen lassen. Kurz vor Stötteriz bin ich gestürzt und habe die rechte Hand gequetscht. Mir war ein bischen bange für Folgen, doch hoffe ich nun das Beste, und ein kleines Ueberbleibsel an der Hand soll mir herzlich lieb seyn, weil es mich mein Leben lang an Deinen glüklichen Einzug in Dresden erinnert, – und was wären unsere Freuden, wenn sie uns nicht auch etwas kosteten?

Du und Deine liebe gute Minna sind jezt so glüklich, daß ich fürchten möchte, der gütigen Vorsicht durch meine Wünsche ins Amt zu greifen, die sich aus der Verschönerung Eurer Existenz das süßeste Geschäft gemacht hat. Lebet ewig so, und der lezte Eurer Tage sei so schön, so entzükend, als der Brautmorgen.

Mein bisheriges Dasein in Gohlis war einsiedlerisch, traurig und leer. Die Natur selbst war nicht mehr schön – düstere, feindselige Herbsttage mußten sich mit Eurem Abschiede verschwören, mir den Aufenthalt hier schmerzliche rund schwerer zu machen. Was soll ich denn auch hier? – Ich gehe an den vorigen Tummelpläzen meiner Freude, wie der Reisende an den Ruinen Griechenlands, schwermüthig und still vorüber. Nur das Vergangene macht mir sie theuer. – Ich sehe nichts mehr darin, als das, was sie mir gewesen waren. Die ganze Gegend da herum liegt da wie ein angepuzter Leichnam auf dem Paradebette – die Seele ist dahin.

Hubers Angelegenheit verzögert sich allzusehr für meine Wünsche, ich kann es unmöglich mehr abwarten. Ich muß zu Euch – und auch meine Geschäfte fordern Ruhe, Muße und Laune. In Eurem Zirkel allein kann ich sie finden. Schreibe mir, bester Körner, mit dem ersten Posttag – nur in zwei Zeilen – ob ich kommen kann und darf.

Deine liebe Minna und das gute Dorchen bitte ich gar schön, die nothwendigen Meubles in unser Logis schaffen zu lassen. Beide wissen schon, was ich brauche. Wenn Du mir schreibst, so bezeichne mir den Namen meines Hauses, daß ich allenfalls den Koffer gleich dahin abgehen lassen kann.

Meine Hand zittert noch so sehr, daß ich zweifle, ob Du meine Schreiberei wirst lesen können. Dieser Tage habe ich einen Secretair im Hause, dem ich den Fiesko nach der Veränderung für das Theater dictire. Uebermorgen in vierzehn Tagen wird er hier gegeben, aber unmöglich kann ich ihn abwarten. Schreibe mir nur mit dem baldigsten.

Lebe wohl, Bester. Das Schreiben wird mir noch sauer. 10,000,000,000 mal empfiehl mich den Beiden. Ich bin ewig der Deinige.

S.