HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 21. September 1792

Schiller an Gottfried Körner, 21. September 1792

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Jena, 21. September [Freitag] 1792.

Wünsche mir Glück! Eben schicke ich den letzten Bogen Manuscript fort. Jetzt bin ich frei, und ich will es für immer bleiben. Keine Arbeit mehr, die mir ein anderer auflegt, oder die einen anderen Ursprung hat als Liebhaberei und Neigung. Ich werde acht oder zehn Tage schlechterdings nichts thun, und sehen, ob die völlige Ruhe des Kopfes, freie Luft, Bewegung und Gesellschaftsgewäsche an meiner Gesundheit nichts verbessern.

Meine Mutter hat mich zwei Tage früher überrascht, als ich den Briefen von der Solitude nach erwarten konnte. Die große Reise, schlechte Witterung und Wege haben ihr nichts angehabt. Sie hat sich zwar verändert gegen das, was sie vor zehn Jahren war; aber nach soviel ausgestandenen Krankheiten und Schmerzen sieht sie sehr gesund aus. Es freut mich sehr, daß es sich so gefügt hat, daß ich sie bei mir habe und ihr Freude machen kann. Meine jüngste Schwester, die funfzehn Jahre alt ist, hat sie begleitet. Diese ist gut, und es scheint, daß etwas aus ihr werden könnte. Sie ist noch sehr Kind der Natur, und das ist noch das beste, da sie doch keine vernünftige Bildung hätte erhalten können.

Die Entwickelung der H.schen Angelegenheit ist mir recht tröstlich. Der unangenehme Eindruck wird sich verlieren, und sie wird sich zuletzt ihrer Freiheit freuen. Jetzt mußt Du durch Beschäftigung ihres Geistes und ihrer Empfindungen das beste thun, und wie ein guter Arzt das Wundfieber mäßigen. Eine vorübergehende, oder noch lieber eine bleibende Herzensangelegenheit sollte jetzt dazwischen treten, oder, wenn das angeht, sollte D. wieder eine Herzogin von Curland finden und in den Wirbel der Gesellschaft gezogen werden. H. hat sich benommen, wie zu erwarten war, ohne Charakter, ohne alle Männlichkeit. Ich bin nicht überrascht und er hat auch bei mir weiter nichts dadurch verloren, denn auf denjenigen Werth, den Grundsätze und Stärke des Geistes geben, mußte man bei ihm Verzicht thun. Er bleibt, was er ist, ein raisonnirender Weichling und ein gutmüthiger Egoist.

Sage mir nun, woran ich mich jetzt zuerst machen soll? Mir ist ordentlich bange bei meiner wiedererlangten Geistesfreiheit. Vor einem größeren Ganzen fürchte ich mich noch; daher zweifle ich, ob der Wallenstein sogleich daran kommen wird. Ich hätte Lust mir durch ein Gedicht die Musen wieder zu versöhnen, die ich durch den Kalender gröblich beleidigt habe. Aber welches? Auch darüber bin ich unschlüssig.

Gebe der Himmel, daß aus Zerbst gute Zeitungen kommen, und daß Dein Conrector einen würdigen Begriff mit dem Worte trefflich möge verbunden haben. Ich bin sehr begierig auf Deine nächsten Briefe. Das versprochene Buch sind meine prosaischen Schriften. Ich erwarte sie alle Tage von Rudolstadt, wo sie gebunden werden.

Dorchen sage recht viel Schönes für ihr liebes Geschenk, das ich zwar noch nicht habe, aber doch errathe. Es freut mich, etwas von ihrer Hand nahe um mich zu haben, und es freut mich doppelt, daß es gerade das ist.

Brühl war hier; aber ungeachtet sie auch mit hier war (und wahrscheinlich bloß meinetwegen, weil sie sonst niemand sah), so habe ich sie doch nicht gesehen. Man bat mich zu ihm, ich war aber nicht wohl und bat ihn zu mir. Er ist, wie du sagst, eine ehrliche Haut. Ich mag ihn wohl leiden. Eingelassen habe ich mich aber nicht.

Dein S.