HomeBriefeBriefwechsel mit Gottfried KörnerSchiller an Gottfried Körner, 25. April 1788

Schiller an Gottfried Körner, 25. April 1788

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Weimar, 25. April [Freitag] 1788.

Viel Glück und Freude, Papa, zu Deiner Emma, und eben soviel zu der überstandenen Gefahr Deiner Frau. Ich kann nicht läugnen, daß ich deshalb sehr unruhig war, aber nun ist Dein Glück und meine Freude doppelt. Daß es ein Mädchen ist, freut mich auch; die Minna muß ja auch etwas haben und der Junge wird zu seiner Zeit auch nicht ausbleiben. Du hast mir nicht geschrieben, ob die Minna selbst stillt; das ist ein Umstand, der mir nicht gleichgültig ist. Auch wünschte ich zu wissen, wer das Kind aus der Taufe gehoben hat.

Charlotte läßt herzlich Glück wünschen, vielleicht schreibt sie heute selbst. Sie war einige Tage nicht wohl und man fürchtete eine fausse-couche, woraus aber glücklich nichts geworden ist. Ihr Fritz ist vor vierzehn Tagen mit den Blattern inoculirt worden, und läßt sich sehr gut an; es sind gegenwärtig bei vierzig Kinder hier inoculirt, nachdem der Anfang mit dem Prinzen und der Prinzessin gemacht worden; alle sind gutartig, und die meisten schon auf dem Rückwege. In einer so kleinen Stadt wie Weimar ist es wirklich merkwürdig, daß man das Vorurtheil gegen die Inoculaiton so allgemein abgelegt sieht.

Von Huber wirst Du hoffentlich Nachrichten haben; ich habe dermalen noch keine. Wir haben ausgemacht, uns alle Monate zu schreiben. Sobald der Frühling einmal dauerhaft da seyn wird, ziehe ich in die Einsamkeit aufs Land; mein Kopf und mein Herz sehnen sich darnach. Ich werde mich eine kleine Stunde von Rudolstadt niederlassen. Die Gegenden sind dort überaus ländlich und angenehm, und ich kann da in seliger Abgeschiedenheit von der Welt leben. Das Lengefeldsche Haus, von dem ich Dir nach meiner Zurückreise von Meiningen geschrieben habe, wird mir den ganzen Mangel an Gesellschaft hinlänglich ersetzen. Es sind dort vier sehr schätzbare Menschen beysammen, von sehr vieler Bildung und dem edelsten Gefühl. Sie sind auch schon in der Welt gewesen, und haben eine glückliche Gemüthsstimmung daraus zurückgebracht. Alles, was Lectüre und guter Ton einer glücklichen Geistesanlage und einem empfänglichen Herzen zusetzen kann, finde ich da in vollem Maße; außerdem auch viele musikalische Fertigkeit, die nicht den kleinsten Theil der Erholung ausmachen wird, die ich mir dort verspreche. Diesem Zirkel gedenke ich alle Tage einige Stunden zu widmen. Sonst erwarten meiner die mannigfaltigsten, ich muß leider sagen, die drückendsten Arbeiten; aber ich gehe ihnen mit ziemlichem Muthe, ja selbst mit Vergnügen entgegen.

Den Meßkatalogus wirst Du wahrscheinlich durchblättert haben. Ohne mein Wissen ist wieder eine neue (und jetzt die dritte) Auflage von meinem Fiesko und von Cabale und Liebe in Mannheim gemacht worden. Ich habe deswegen, nach dem Anrathen aller meiner hiesigen Freunde, ein Schreiben an Hrn Götz ergehen lassen, und ihm darin die Wahl gegeben ob er mir diese Edition mit hundert Thlr bezahlen, oder es darauf ankommen lassen wolle, daß ich selbst eine verbesserte Auflage meiner Stücke, mit neuen Scenen und einem neuen Stücke vermehrt, für die Michaelismesse veranstalte und noch in dieser ankündige. Bertuch, der gegenwärtig in Leipzig ist, hat den Auftrag übernommen. Es ist in der That niederträchtig, wie diese Buchhandlung mit mir umgeht; hoffentlich hat Schwan keinen weiteren Antheil daran, als daß er es geschehen läßt; sonst müßte ich einem Briefe, den er mir vor vierzehn Tagen geschrieben und der voll der freundschaftlichsten Gesinnungen ist, eine sehr unedle Auslegung geben. Schreibe mir doch, ob Du billigst, was ich gethan habe? Wenn Du Dir aus dem Meßkatalog Einiges aussuchst, so vergiß Wielands Lucian nicht. Er wird Dir gewiß sehr werth werden; durch Wielands Galanterie besitze ich ihn selbst, und habe ihm schon manche angenehme Stunde zu danken.

Schulz, der Verfasser des Moritz, hat die Clarisse nachgebildet und auf berlinischen Grund und Boden verpflanzt. Du findest sie unter dem Titel Albertine. Für ein Werk, davon er in fünf Stunden zwölf Blatt gefördert hat, ist sie noch sehr lesbar ausgefallen. Ich wünschte mir zuweilen die Leichtigkeit seiner Feder; schwerlich ist jezt unter unseren guten und schlechten Schriftstellern einer, der es ihm gleich thut.

Einen Spaß muß ich doch erzählen, wenn es noch nicht geschehen ist. Vor einigen Wochen ist durch die vierte Hand die Anfrage aus der fränkischen Reichsstadt Schweinfurt an mich ergangen, ob ich dort nicht eine Rathsherrnstelle mit leidlichem Gehalt, verbunden mit einer Frau von einigen tausend Thlr, die, sezt man hinzu, an Geistes und äußerlichen Vorzügen meiner nicht unwerth sey, annehmen wolle. Die Stelle soll mich wöchentlich nur 2 oder 3 Stunden kosten u. dergl. Vortheile mehr. Wie ich mich dabey genommen, magst Du Dir leicht selbst einbilden; doch möchte ich eigentlich wissen, wie man auf mich gefallen ist. Da die ganze Sache mehr der Gedanke einiger Privatleute ist, und man eigentlich nur sagt, daß, wenn ich mich melden würde, sie mir nicht schwer fallen sollte, so erkläre ich es so, daß das Ganze eine Idee der Person seyn mag, die ich heurathen sollte. Diese hat vielleicht einige Lectüre, die ihr den Menschenzirkel um sie herum verleiden mochte und da mag sie nun denken, daß sie mit ihrem bischen Geld und der Lockspeise einer Stelle einen Menschen fischen könnte, der auch andere Forderungen befriedigt. Der Zufall hat ihr von meinen Schriften einige vielleicht in die Hände gespielt, an denen sie Geschmack gefunden hat und für einen Juristen hält sie mich ohne Zweifel. So muß ich mir das Rätsel erklären, und der Meinung ist auch Wieland.

Von Mannheim habe ich Nachricht, daß der Carlos dort gegeben worden, aber bey weitem das nicht gethan hat, was man von ihm erwartete. Dalberg setzt es in die verfehlte Einheit und in die Unverständlichkeit des Plans. Beck klagt die Chicane der Direction und das äußerst schlechte Spiel gewisser Schauspieler an. Du wirst wissen, was aus beyden zu nehmen ist. Etwas mag freylich von Außendingen bewirkt worden seyn. So ließ Dalberg zum Beispiel (ganz gegen mein Mscrpt. und ich weiß gar nicht zu was Ende? oder woher er die Bravour hat?) den Domingo (den ich in einen Staatssekretär Perez verwandelte) als Jesuiten auftreten. Alles murmelte sich zu: Pater Frank! und dieser Umstand allein hätte dem Stück in einer Stadt wie Mannheim den Hals brechen können, wenn ich nicht eben soviele Gründe dazu in seiner inneren Structur fände. Ifland soll den König geheult, Bök den Marquis aber gut, vorzüglich gut gespielt haben. Die Königin habe niemand verstanden, weil die Schauspielerin leise und unvernehmlich sprach. Domingo soll ein Hanswurst gespielt haben. Mit Beck war man, und auch Dalberg, Schwan und andre, sehr zufrieden.

Noch etwas, eh ich schließe: Wenn Du mir Dinge schreibst, die an demselben Posttag beantwortet werden müssen, so schicke sie künftig directe an mich. Die Briefe, die unter Fritschens Adresse an mich kommen, erhalte ich oft erst den andern Tag, wie es mir mit Deinen zwei letzten Briefen auch ergangen ist. Ueberhaupt laß mich doch in Deinem nächsten Brief wissen, wie es kommt, daß ich seit einiger Zeit Deine Briefe durch diesen Canal erhalte? ob Du ihn etwa kennst und mit ihm correspondirst?

Lebe wohl, und gehe jetzt gleich zu Deiner Emma und küsse sie statt meiner. Grüße mir Deine liebe Minna recht herzlich; ich wünsche ihr alles Gute zu ihrem Wochenbette. Grüße mir Dorchen und sag ihr, daß sie mich auch nicht ganz vergessen soll.

Dein S.